Reykjadalur

Landmannalaugar scheint zu weit weg für einen Tagesausflug mit Baby, also nehmen wir die wesentliche leichter zu erreichende “kleine” Version: Reykjadalur. Nur 40 Minuten von Reykjavik entfernt, direkt an der Straße, kein Jeep notwendig. 3 Kilometer in die Berge wandern und plötzlich bricht die Erde auf, es dampft und sprudelt, stinkt und blubbert. Und ganz am Ende fließt ein Bach, in dem an einem Sommertag viele Touristen und Einheimische sitzen und es sich bei ca. 40 Grad gut gehen lassen. Achja: Wasserfälle, Panoramablick, Trollfelsen, Mondlandschaften natürlich alles inklusive.


Sundlaugar

Laug heißt übersetzt “Pool” und Reykjavik sowie ganz Island haben diverse “Sundlaugar”. Man muss auf der einen Seite natürlich erst einmal das Glück haben, dass Energie und Warmwasser quasi auf der Straße liegen. Dann muss man allerdings auf der anderen Seite auch etwas Lebensqualität-steigerndes daraus machen. Die Isländer bauen sich also an jede Straßenecke ein Schwimmbad. Wobei das so nach Schulsport, klebrigen Badekappen und viel zu kaltem Wasser klingt. Hier ist das anders. Die Stadt listet 17 Bäder auf und schreibt dezent “Reykjavik loves swimming”. Yes, indeed. Und fast alle sind Freibäder und vor allem warm. Die großen Becken haben selten unter 29 Grad, es gibt einen Haufen Kinderquatsch und jede Menge “Hot Pots”, je nach persönlichem Gar-Bedürfnis zwischen 36 und 44 Grad. Warmbadetage oder hochtrabende Bezeichnungen wie “Therme” für alles, wo man nicht erfriert, sind hier überflüssig. Die Abwärme der Geothermie wird hemmungslos ins Wohlbefinden gekippt. Zehnerkarte 30 Euro, für Kinder 10, fertig ist der Badespaß.

Nach den anstrengenden Touren der letzten Tage hatten wir so etwa nötig. Mit dem Finger über der Karte gekreist und das Arbaejarlaug ausgesucht. Rein, Kind 1 und 2 ins Wasser geschmissen, schön.

Kleiner Exkurs: Kind 1 hört aus unerfindlichen Gründen zu Hause in Schleife die alte “Alfons Zitterbacke” Schallplatte mit der Episode über den ersten Kopfsprung. Wir haben das heute mal nachgespielt. Ich habe keinen alten Schulfreund getroffen, konnte mich also vollständig auf das Unterrichten konzentrieren. Ich habe jetzt schon mit anderer  Ideologie als 1968 in der DDR (Was? Du kannst das immer noch nicht?) agiert, außerdem lässt sich Kind 1 grundsätzlich von seinen Eltern nichts mit Vorsatz beibringen. Trotzdem kamen am Ende mehrere fast formvollendete Kopfsprünge und mehrere sehr schöne um die Ecke Bauchklatscher raus. Und bei der nächsten Schleife Alfons Zitterbacke kann das Kind das immer mit Island verknüpfen. Der Jugend heute geht’s schon ganz schön gut.

In den Schwimmhallen gelten isländische Regeln: Keine Fotos, nackt in Gemeinschaftsräumen duschen (Was die Amerikaner in den Internetforen immer verwirrt), nur komplett trocken in die Umkleidekabinen. Wir halten uns natürlich brav daran. Wer Bilder sehen will, muss sich deswegen durch die Galerien der Webseiten klicken. Wir waren hier. Sehr schön sind auch die Sundhöll (das älteste Schwimmbad) und Versturbearlaug. Neben dem Laugardalslaug steht das Nationalstadion, wo Rudi Völler damals seinen legendären Wutausbruch bekam. Wäre er mal lieber schwimmen gegangen.

Als wir die letzten Jahre zum Airwaves da waren, hatten wir das alles bei 0 Grad, oft Sturm und schnell wieder ganz ins Wasser. Bei 18 Grad, Sonne und Blick über die Stadt ist das aber auch schön. Heute getestet.


Golden Circle

Ja, der Gullfoss. Zum fünften Mal war ich jetzt da. Ich kann mich nicht dran sattsehen. Heute auch das erste Mal mit Regenbogen. Hier drehen sowieso gerade alle frei. Spektakulärer Sommer. Von wegen Island-Tief. In Reykjavik holt man die Cabrios raus und cruist in den Sonnenuntergang die Strandpromenade lang. Das ist wie im April in Berlin, wenn es das erste Mal über 15 Grad warm ist und alle Cafés die Tische rausstellen und die Menschen Flip Flops auftragen.

Geysir und Strokkur nehmen wir gerne am Rande mit. Kind 1 ist glücklich, im Souvenir-Shop durfte ein Troll geshoppt werden. Der bekam einen Namen und es werden jetzt Auftragswerke mit dem Troll im Mittelpunkt gezeichnet. Kind 2 war mittelglücklich. Während die “Großen” Geysire gucken waren, durfte es im Gras liegen/das Gras pflücken und das Rauschewasser wurde auch aufmerksam beglotzt. Das wurde erfreut lala-machend zur Kenntnis genommen. Die ingesamt 4 Stunden im Auto wurden allerdings teilweise eher mit “mäh” kommentiert. Schlafen im Auto geht halt auch nicht immer. Vielleicht vertagen wir die Jeep-Tour ins Hochland nach Landmannalaugar doch auf ein anderes Jahr und schieben ein paar Schwimmbadbesuche mehr ein.

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Krysuvik & Kleifarvatn 

Mit dem Auto ins Nichts, und hinter jeder Ecke neue spektakuläre Landschaften. Es gibt hier kaum etwas Schöneres. Der kleine Corsa rumpelt, Kind 1 schüttet sein Herz aus, wer im  gerade abgelaufenen Schuljahr etwas Gemeines gemacht hat, wie das wohl wird, wenn es mit einer Zahnspange in der dritten Klasse auftaucht. Und irgendwann ist das alles vergessen, weil die Landschaft zu spektakulär ist, das Klettern zu viel Spaß macht, die geothermischen Felder zu sehr stinken. Alles auf dem Weg vom Flughafen mit einem kleinen Schlenker nach Reykjavik.

Vergesst die Blaue Lagune. Krysuvik und Kleifarvatn sind die Orte, wo man hin muss. Die Brücke über die Kontinente nimmt man da so am Rande einfach mit und benutzt die Kontinentalspalte als Buddelkasten. Es waren hier heute 20 Grad, T-Shirt-Wetter, fantastisches Licht. Ein Traum.

(Kind 2 arbeitete während des Ausflugs weiter ambitioniert an den Skills im “Vor Wut Kotzen”. Es sind also nicht nur Expeditionsskills und Kletterkünste gefragt. Aber wer sagt, dass das nicht zu Hause genauso wäre.)



Sonnenuntergangskitsch

Mit Snaefellsjökull (Immerhin ca. 110 Kilometer Luftlinie entfernt)


Glymur und Hvalfjördur (Und Babykotze)

Glymur, der zweithöchste Wasserfall Islands: Die Schwierigkeit der Wanderung ist nicht ganz zu recherchieren. Im Internet steht was von 5 bis 10 Kilometer, “leicht”, dann aber auch “Ein Balken über einen Fluss”, “Man muss schon schwindelfrei sein” und “Klettern am Seil”. Probieren wir es doch einfach. Das Wetter ist tropisch (16 Grad und Sonne). Und die Strecke am Hvalfjördur wäre auch so reizvoll genug. Große, gemütliche Berge, weiter Blick auf Meer, Berge und Fjord. Schafe, Pferde, Einsamkeit. Und alles nur eine Autostunde außerhalb Reykjaviks.

Klingt romantisch? Abenteuerlich? Idyllisch? Ist es auch, solange bis die Eigenheiten unserer Kinder zuschlagen. Bei Kind 1 ist diese Phase mittlerweile beendet, bei Kind 2 erwacht sie gerade zu voller Pracht. Wenn einem etwas nicht passt wird man wütend und dann gibt’s Geschrei. So weit so nachvollziehbar. Bei uns geht es aber weiter. Wir haben mittlerweile eine gewisse Übung darin, schön wird es trotzdem nie, wenn dann irgendwann aus purer Wut an Ort und Stelle gekotzt wird. Das macht nicht glücklicher, riecht komisch und jagt den Stresspegel bei allen Beteiligten in die Höhe. Und man braucht eventuell Wechselsachen.

Vielleicht war es aber nur zu langweilig auf dem ersten Kilometer in der Manduca. Als dann Flüsse überquert und geklettert wurde und das Rauschewasser liebliche Töne machte, war wieder alles gut und wir erreichten noch die Aussichtspunkte zum Glymur. Es wurde dann irgendwann wirklich schwerer. Lohnte sich aber. Und auf der Rückfahrt haben wir auch wie bestellt bei den süßen Pferden – fotogen weidend vor Natur –  angehalten.

(Faszinierend mit welcher Leichtigkeit Kind 1 über den Balken schwebte. Manche Wandergruppen brauchten da schon einige Zeit um sich zu überwinden. Keine Überwindung brauchten diese Gruppen allerdings bei Smartpad-Fotos kurz vorm Abhang, wo mir, trotz gering ausgeprägter Höhenangst schon beim Zusehen seltsam wird.)


Grotta 

23 Uhr Ortszeit. Hobby der Reykjaviker Jugend im Sommer. Mit dem Auto zum Leuchtturm an der Halbinsel Grotta fahren, Füße in die heiße Quelle halten, im Auto mit Blick auf den Sonnenuntergang Fastfood essen und von aggressiven, brütenden Seeschwalben jagen lassen. (Nicht gesehen, aber wahrscheinlich: in Welteroberungsträumen die neuen Sigur Ros gründen, miteinander anbandeln, überlegen, wie man von der Insel, die auf Außenstehende so schön wirkt, weg kommt.) Schöne Abendfahrradtour: kann man machen.


Esja

Esja, Hausberg Reykjaviks und halbwegs majestätisch über der Bucht thronend: Wir wollten wandern. Fünf bis sechs Kilometer, 500 Meter Höhenunterschied. Viele Isländer wollten aber lieber rennen. Scheinbar ein Sonntagnachmittagsvergnügen für die ganze Familie. Bergab, bergauf durchpflügten Menschen in Sportklamotten die Vulkanlandschaft. Auf zwei Wanderer kam bestimmt ein Jogger.

Bis hoch schafften wir es nicht, den letzten Anstieg ließen wir aus. Kind 2 tragen erhöht den Schwierigkeitsgrad natürlich, genauso wie ein ständig quatschendes Kind 1. (Merke: Wenn Kind 1 nicht redet, ist es grantig und will umkehren. Hat es gute Laune und läuft, redet es und erwartet Antworten. Sofort. Woraufhin es dann ausholt und detailliert erklärt, wie die Trolle und Elfen das hier in welchen Höhlen wie genau regeln. Und dass es jetzt auch ein Troll ist, wir aber aus einer von 827 Sorten aussuchen müssen, was für einer. Und einen Namen. Und ein Aussehen.) Das erste sportliche Highlight. Ich war komplett durchgeschwitzt. Wenn sich das ein angemessener Prozentsatz der Bevölkerung regelmäßig im Laufschritt gibt, ist ein Teil der hervorragenden sportlichen Leistungen dieser wenigen Menschen hier in diversen Sportarten erklärt. Grundfitness und Motivation vorhanden. (Es regnete leicht, da muss man sich erst einmal aufraffen, 20 Kilometer aus der Stadt zum Berg und dann mit dem Risiko, dass jederzeit ein mächtiger Schauer losbricht in den Anstieg stürzen.

(Und im Café im Tal läuft Golf aus Island.)


Reykjavik

Kurz vor 23 Uhr Ortszeit. Blick auf den Atlantik aus dem Fenster. Das geht schlechter. Diese nordischen Sommer und das Licht sind schon allein die Reise wert. Ich bin jetzt zum fünften Mal in Reykjavik, das fühlt sich schon irgendwie vertraut an. Ich kenne mich hier besser aus als in Berlin, glaube ich. Wobei das natürlich eine Illusion ist. Die Stadt verändert sich permanent. Wo wir vor drei Jahren noch während des Airwaves wohnten, fehlt mittlerweile eine halbe Straßenseite, überall wird gebaut. Und in 101 Reykjavik klingt das auf der Straße jetzt auch nicht anders als im Friedrichshain. Ein Haufen Englisch, Deutsch, Französisch und immermal exotische Sprachen, wie halt isländisch. Sommer ist Touristenhochsaison. Die Isländer erkennt man daran, dass sie bei milden 15 Grad natürlich keine Funktionskleidung tragen.

Kind 1 monologisiert die ganze Zeit, weil es nichts versteht und fragt in endlosen Schleifen und Eigeninterpretationen nach, was das bedeuten könnte. Kind 2 ist zufrieden, wenn es die Klavierpedale in der Tauschwohnung anlutschen kann. Nebenan ist ein Künstleratelier, im alten Hafenviertel liegen Schiffe, wo nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ob die abgewrackt oder repariert werden. Heute war der SlutWalk, aber da waren wir schon wieder zurück. Hektisch ist es nicht, auch nicht schlecht, für den ersten Tag – zum Akklimatisieren. Jedes Haus, hier im alten Hafenviertel, sieht anders aus. Und die Dinger machen über den Winter eine ganze Menge mit. Der Energieüberfluss ist spürbar. Überall ballern die Heizungen und die Fenster sind angeklappt offen.

Die Europameisterschaft ist, nicht nur auf Cola Dosen, noch präsent. Selbst die bescheuerten Posen – verschränkte Arme – der UEFA Mannschaftsaufstellungen haben es auch hier auf die Plakatwände geschafft.

Überall gibt es freies W-Lan und das Internet allgemein ist gefühlt dreimal so schnell wie in Deutschland. Am Hafen haben sie ein Denkmal für Eve Online hingestellt. Und die Schwimmbäder, hach, die Schwimmbäder sind echte Lebensqualität.


Weit weg

Ich habe um 13 Uhr in Schönefeld das Handy ausgemacht. Und während in München schlimme Dinge passierten, war ich voller Stress, Vorfreude und Hektik. Jetzt sind wir da, ich lese nach, was geschah, aber ohne Arbeit, endlose Sondersendungen und mit Blick auf den Atlantik und den Esja ist das alles weit weg. So weit weg, wie für uns normalerweise solche Verbrechen in anderen Ländern. Komisch. Hier kann ich mich gerade trotzdem an einer Cola Dose des isländischen Tormanns und einem kurzen Blick auf den Gletscher aus dem Flugzeug erfreuen. Und daran, dass das Baby kein Problem mit Flugzeugen hat. 



#Urlaub #Elternzeit

Dieses Jahr ist alles anders. Erste Flugreise zu viert, erster Wohnungstausch (Die Wohnung sah noch nie so ordentlich aus. Mitlesende Einbrecher: Keine Chance, hier wohnt die nächsten drei Wochen eine sechsköpfige isländische Familie. Dass mit denen nicht zu spaßen ist, wisst ihr seit der EM) Und gleichzeitig beginnt meine siebenmonatige Elternzeit. Wird das dann wieder ein ernstzunehmendes Sportblog? Oder ein Drogeriesonderangeboteratgeber? 

Ab morgen auf jeden Fall erst einmal ein Reiseblog. #Island


Hú!

Nanu, schon wieder vorbei, diese EM. Das ging jetzt aber zügig. Es sollten mehr Mannschaften teilnehmen, dann geht das noch ein bisschen länger. Und es gibt mehr hochklassige Spiele. Eine Gruppenphase vielleicht?

Die ausführliche und  amtliche Würdigung der Gewinner der Spiele  erst jetzt: Ich war damit beschäftigt mich im Hipster-Dasein zu sonnen, schließlich besitze ich Island-Fan-Utensilien wie die Original-Winter-Socken der Nationalmannschaft schon seit 2009 und benutze sie sogar (zum Discgolfen im Winter) Einmal alles richtig gemacht. Warum hat Philipp Köster eigentlich nicht angerufen und mich als Experten interviewt?

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Herzlichen Glückwunsch an Gazza für den Titel im Tippspiel. Mir selbst gratuliere ich für den Gewinn der Europameisterschaft im “Ich, Jogi” Spiel.

Für die Statistik:

Tippspiel

1.  Gazza 257
2. liberoness 249
3. tejoe 239
4. robert 200
5. LXSeal 193

Ich, Jogi 

1. 402 Helsinki IF
2. 388 The LoveSaviors
3. 381.5 Überstern Galaktika
4. 376 Vereinigte Staaten von Zombieland
5. 374.5 Dynamo Windrad
6. 369.5 FC Long John Silver Impersonators
7. 367 Wildparker Kickers
8. 361.5 Kleinmachnow Allstars
9. 331.5 F
10. 328.5 KR 101 Reykjavik
11. 321.5 Club Sport Herediano
12. 319.5 Allez-les-Bleus!
13. 315.5 Wormatia Worms
14. 300 Spandau Eagles
15. 295 FußballClub Karl-Marx-Stadt

Diese EM war für mich irgendwie komisch. Ich will das gar nicht auf das Turnier schieben, das könnte auch mit persönlichen Lebensumständen zu tun haben. Viel, viel Arbeit. Die Spiele waren spät, verdammt spät, wenn man schulpflichtige Kinder hat und noch keine Sommerferien sind. (Vor allem, weil es am Ende eines Schuljahres verrückt viele von Helikoptereltern eingebrockte Termine gibt) So ein richtiger Funke wollte auch nicht immer überspringen. Das Problem ist, es wird bei den nächsten Turnieren wahrscheinlich auch nicht besser. Naja, schauen wir mal.

Ich verschwinde jetzt erst einmal in das Land des Überraschungsviertelfinalisten und schaue mir diese digitale Garage hier dann mal genauer an, führe das vielleicht hiermit zusammen. Wir treffen uns alle am Wochenende 13./14.8. zum Auftakt der neuen Uli und Kalle Runde wieder hier, einverstanden?

Hú!


Schotter is almost gone

Ich lebe seitdem ich drei Jahre alt bin in dieser Stadt. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen. Selbst als ich in Berlin studierte, hatte ich meine klassische Studenten-WG nicht in Friedrichshain sondern in Babelsberg. Und mit so einer Stadt ist das ja so, wie mit eigenen Kindern. Die wachsen, verändern sich, aber das “du bist ja so groß geworden“, kommt immer nur von fernen Verwandten, die die lieben Kleinen so selten sehen.

Aus den 80ern habe ich nur wenige Bilder, im Kopf: Russische Kamas-LKWs rumpelten an der Wohnung vorbei, die Tassen klapperten im Schrank, gespielt wurde auf der Straße, in der Mausefalle oder auf der Hexentreppe.

Die 90er waren Gymnasium, Hausbesetzungen, Nachwendezeit. Alles war unglaublich abgefuckt. Komisch, wenn man sich solche Videos heute anschaut, aber das war normal, nicht der heutige Zustand. Die 90er waren auch viel Sport. Viel Gerenne in Hallen, um Seen, auf Plätzen. Schulturnhalle, Seerunde, Schotterplatz. Und zwischendurch bei Freunden im Keller Anstoss 3 spielen.

Langsam änderte sich dann die Stadt. Das Ernst-Thälmann-Stadion verschwand, die Innenstadt wurde saniert. Am Heiligen See wohnten Jauch und Joop und nicht mehr irgendwelche abgebrannten Gestalten. Ohne, dass ich das an einem Ereignis festmachen könnte, änderte sich die Athmosphäre. They call it Gentrifizierung, I think? Aber in Potsdam war das größer, da es immer gleich die Stadt spaltete. Mitteschön? Stadtschloss? Merkur-Hotel? Bus-Bahnhof am Bassinplatz? Neue Schwimmhalle? Minsk? Garnisonkirche? Neugestalten oder auf das preußische Erbe oder DDR-Erbe vertrauen? Jedes Projekt bot die Chance, sich so richtig schön in ideologischen Schützengräben zu verbuddeln. Darüber sprach man und 100 Jahre später tat sich dann auch was, aber alles in provinzieller Langsamkeit, sodass sich mein Gehirn, da ich ja hier wohnte, immer ganz gemächlich darauf einstellen konnte.

Neben den großen Themen wurden quasi unbemerkt die Hinterhöfe mit Townhouses geflutet. Ich habe neulich alte Fotos aus den 1990ern sortiert. Das Gras war jetzt nicht grüner, der Himmel nicht blauer, aber mehr Platz in der Stadt war schon.

Alles egal, es gab eine Konstante: Der legendäre Schotterplatz in der Kurfürstenstraße (früher passenderweise Straße der Jugend). Mit 17 bolzten wir da jedes Wochenende, gegen selbstgegründete Freizeitmannschaften, “alte” Herren (wahrscheinlich Ende 20, wir fanden sie furchtbar alt), türkische Großfamilien in Gala-Trikots. Meistens Kleinfeld, 6 gegen 6. Hin und Her. Hatte es geregnet war in der Mitte eine große Pfütze, die umspielt werden musste. Im Schulsport ging es 4 mal um das Großfeld für die ungenormten 1000 Meter.

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In den 2000ern wurde dann abgetrennt vom großen Platz ein kleines Tartanfeld hingerotzt. Mit ekligen Vollmetall-Toren ohne Netze. Aber hier konnte man auch mal 4 gegen 4 spielen. Jetzt waren wir die alten Herren und mussten mangelnde Athletik mit Erfahrung und Stellungsspiel kompensieren. Irgendwann waren dann keine Gegner mehr da, alles verlagerte sich an andere Ecken, aber bis 2010 waren wir regelmäßig am Wochenende auf Fußballplätzen unterwegs. Und die Kurfürstenstraße war immer eine Option, wenn es irgendwo zu voll oder zu leer war.

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Selbst als wir dann “sportlich” auf Frisbee-Golf umstiegen, die große Schotterfläche, mitten in der Innenstadt war eine Erinnerung und eine Verheißung. Das Industriegebiet ringsherum wurde abgerissen (Townhouses!), die Skaterhalle ebenfalls. Der Schotter und die große Pfütze blieben. Dann und wann jagten Gestalten Bällen nach, langweilten sich ganze Jahrgänge auf dem Platz oder trieben ein bisschen Leichtathletik.

Mittlerweile sind fast alle Potsdamer Brachen erschlossen. Selbst die großen Baustellen (Stadtschloss) fertig. Langsam (für die hier Wohnenden) aber unaufhaltsam hat sich die Stadt verwandelt. Zeit für die Details. Jetzt muss auch der Platz in der Kurfürstenstraße dran glauben.

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Ja, es wird eine neue Halle gebaut. Ja, es werden neue Außenanlagen gebaut. Ja, der Zustand davor war für den Schulsport nicht wirklich tragbar. Schon lange nicht mehr.

Trotzdem: Jetzt wo der Schotter almost gone ist (noch sieht man auf dem obigen Google-Maps-Link den “alten” Zustand, aus nostalgischen Gründen habe ich mir davon mal einen Screenshot gemacht), werde ich doch ein wenig wehmütig. Hoffentlich entwickelt die neue Halle, der neue Komplex eine ähnliche Geschichte und Anziehungskraft auf die Kinder, die den Ort dann gar nicht anders kennen. Dann kann auch die Frage aus dem titelgebenden Doors-Song Where will we be? vielleicht weiter mit AufmPlatzInnerKurfürstenstraße beantwortet werden.


Live Blog: Denver vs. New England

[8:32] Nachträglich die Highlights geschaut. Beeindruckend von Carolina. Ich kann Cam Newton aber immer noch nicht leiden. Und Peyton Manning auch nicht. Die Chancen sinken, dass ich mir in zwei Wochen die Nacht um die Ohren schlage.

[23:42] Das packt mich nicht. Auf Twitter sprachen sie von einem Spiel von 1938. Und am Spielfeldrand sitzen sie mit Sauerstoff. Dann lieber Schlafen.

[23:27] Ein QB-Sack-Festival

[23:19] Kommentator sagt: “Heute ist alles egal, was morgen ist. Wegen Halbfinale.” Der Typ hat keine Kinder. Die in die Schule müssen.

[23:05] Patrick Esume gefällt mir als Experte hervorragend. Aber der trägt ernsthaft den World-Bowl-Ring im normalen Leben?

[23:03] Zweite Halbzeit. Three & Out für Denver. Quarterback-Sack. Die Pause war angenehm kurz. Aber ob das bis 12 durch ist? Oder wenigstens entschieden?

[22:45] Halbzeit. 17:9 für Denver. Verdammt. Das ist ja schon fast 11. Kann das nicht um 19 Uhr anfangen. Mal SAT.1 Bescheid sagen, dass die das mit der NFL klären. Die haben doch jetzt so gute Kontakte. So weiß ich nicht, ob ich das bis zum Ende durchhalte. Bin kein Event- aber durchaus Tageszeitenfan.

[22:27] Ne halbe Stunde weg. Zurück. Immer noch komisch. Gleich die nächste Interception. Dazu gehen irgendwelche Tablets nicht. Seltsam.

[21:59] Denver 14:6 vorne. Fehler wie bei Frankfurt gegen Wolfsburg.

[21:56] Sag ich doch. Freak-Spiel. Interception Brady.

[21:51] Nebenbei bemerkt. Die WordPress-App Calypso für MacOS ist wirklich sehr flüssig für Live-Blogs. Kein Reload im Browser. Leichtes Reinziehen von Bildern. Schneller als im Browser.

[21:50] Freak-Spiel. Komischer Pass. Trotzdem gefangen. Als Laie würde ich sagen, alles sehr unrhythmisch bis hierhin.

[21:45] Touchdown New England. 6:7. Der Kicker verschießt den Extra-Punkt. Komisches Spiel.

[21:43] Wieder was gelernt. Beim Rückwärtspass ist ein nicht angekommener Pass ein Fumble. Das machen die Ran.de Leute gut. Und sie erkennen es auch sehr schnell.

[21:33] So. Kaninchen versorgt. Überhaupt. Kaninchen. Wären auch gute Running Backs. Zack und weg. Arbeitet Bill Belichik wahrscheinlich schon dran. Für das 4. Quarter.

[21:19] Wäschekorb. Fumble. Doof. Denver hingegen mit Touchdown.IMG_3337.jpg

[21:11] Jetzt das erste Mal Manning. Ich mache jetzt aber einen Drive von der Waschmaschine zum Wäschetrockner. Mit Three’n’Out. Omaha!

[21:07] Ich hab wenig Ahnung vom Football, dieses Jahr viel gelernt und mag die Patriots (Wahrscheinlich wegen Heiko Olörp) Ansonsten sind mir Patrioten suspekt.

[21:05] Gleichzeitig mal WordPress Calypso (App for MacOS) testen. Kick-Off: Ball im Aus. Scheiß Höhenluft. Frank Buschmann antwortet auf Twitter @Lostinnippes. Das eskaliert heute noch.

[21:04] Live Blog. Football. Oder Wäsche aufhängen. Oder Kaninchen füttern. Oder Kommentare kommentieren. Schauen wir mal.

 


#NoPogida s01e02

Das Laientheater Groß Glienicke führte soeben den zweiten Teil der Co-Produktion von Netflix und dem Brandenburger Innenministerium #NoPogida vor meiner Haustür auf. Solange die Eindrücke noch frisch sind, hier meine Kurzkritik:

Die Idee der Serie ist einfach. Man nehme einen Haufen Irrer, setze sie irgendwo aus, lasse sie rumschreien und warte wie die durch Laienschauspieler dargestellten normalen Menschen darauf reagieren. Das ganze inszeniert in einer düsteren, winterlichen Provinzstadt mit einem Haufen real wirkender Special-Effects und massiven Einsatz von Statisten, fertig. Soweit so bekannt. Im ersten Teil (“Potsdam ist verloren“) schemenhaft angerissen, kristallisierten sich in der zweiten Folge (“Die Stadt rennt“) die Protagonisten klarer heraus.

Der irre wirkende Rädelsführer Christian M. wird erstmals richtig in den Mittelpunkt gerückt. Fein gespielt durch Christian Müller, raffiniert mit dem Hertha(?)-Schal als Gadget. Ich bin gespannt, wie dieses Accessoire in den folgenden Teilen eingesetzt wird.

Der knuffige Oberbürgermeister mit buntem Schal (ohne Verein), der Farbe bekennt und noch mindestens 10 Gegendemonstrationen organisieren möchte.

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Der sympathische Zausel, der mit Handy durch die Stadt irrlichtert, sich filmt und bei Minus 5 Grad so friert, dass er nicht sprechen kann, es aber trotzdem tut. Achtung SpoilerAlert. Er wird sich als stellvertretender Chefredakteur einer Lokalpostille herausstellen. Vielleicht im Krieg gegen die anderen Lokaljournalisten, die schon den ganzen Tag von “Ausnahmezustand”, “Kampf”, “WaWes” und aufgeheizter Stimmung sprachen.

Die vielen noch namenlosen Polizisten mit Nummern: Wer wird eine größere Rolle in den nächsten Folgen spielen? A2100 oder doch A2102?

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Zwischendurch gab’s rasante Action. Durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg wurde Equipment aus anderen Bundesländern organisiert und in der Stadt hin und her bewegt sowie der Einsatz erwogen. Der Zuschauer nahm, wie schon im ersten Teil, die ungewohnte Perspektive aus der Mitte der Stadt ein. Der Blick aus dem Fenster, der immer nur ein Teil des Geschehens preisgibt, nie wertet.  Ansonsten musste er sich durch die im Screen integrierten Social-Media-Elemente und Newsstreams seine Meinung selbst bilden. Gerade durch diese begrenzte Perspektive kamen die unvermittelt einbrechenden “Protestationen” (O-Ton K1) mit rennenden Menschen, viel Licht, dezenter Sounduntermalung durch Polizeihelikopter gut zur Geltung. Auf Dauer verlangt dieses Konzept aber auch eine ganze Menge Konzentration und Aufmerksamkeit. Nebenbei weggucken und Binge-Watching zur Entspannung geht mit diesem Format nicht.

Gefallen hat mir die Optik. Das Schwarz der Polizei, das Schwarz der Demonstranten kontrastierte sehr gut mit dem Weiß des Schnees und dem Blau der Sirenen. Auch gut, die liebevollen Details: Handgemalte Plakate, sympathische Nebenrollen wie die drei 16-Jährigen: “Wo sind denn die Nazis? Was die wenigen da hinten? Was sind denn das für Pussys!”), vereinzelte, gut choreographierte Gesänge und Polizisten, die persönlich mit Demonstranten bekannt waren. Das hat Potential.

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Nicht überzeugt bin ich, dass die Hauptrolle des Christian M. über mehrere Folgen trägt. Zu eindimensional scheint mir diese konzipiert. Solche zentralen Charaktere brauchen doch etwas mehr, nicht nur rhetorischer Raffinesse. Dass man ihm schon in der zweiten Folge einen Haufen drolliger Hooligans von Hertha BSC und dem BFC Dynamo (vielleicht wird dort da demnächst eine Seitenhandlung, die in der DDR spielt, aufgemacht) zur Seite stellen musste um die Spannung zu halten, spricht nicht für den Drehbuchautor.

Auch wenn das der Realität entspricht, dass in einer Kleinstadt um 10 Uhr abends die Bürgersteige hochgeklappt werden und das dementsprechend detailgenau abgebildet wurde, im Fernsehen möchte ich das eigentlich nicht sehen. Und bei allem Einsatz der zahlreichen Laiendarsteller auf Seiten der Gegendemonstranten und meiner Sympathie für dieses Engagement, man merkte einigen doch an, dass sie eigentlich sinnvolleres zu tun hätten. Aber wenn das Fernsehen ruft, muss man sich einbringen und einen Flop der Produktion, der zwangsläufig auf die ganze Stadt zurückfallen würde, verhindern. (Nicht auszudenken, wenn plötzlich nur noch Christian M. monologisierend durch die Serie rennen würde und keine Gegenstimmen kämen)

Notgedrungen werde ich wahrscheinlich auch noch einmal in Episode3 nächsten Mittwoch reinschauen. Ich würde die Serie aber auch nicht vermissen, meinetwegen kann man das nach der dritten Folge absetzen. Es ist ein bisschen teuer (Über den bekloppten Namen müssen wir nicht sprechen, oder? Man sollte das demnächst nicht übersetzen und den Originaltitel so lassen.) und das Geld sollte man lieber in ein ordentliches Remake von “Der Schatz im Silbersee” einsetzen.


Walk. Don’t walk.

Heute soll vor unserer Haustür wieder spazieren gegangen werden. Zusätzlich zu Pegida bzw. Pogida-Freaks haben sich jetzt noch Hooligan-Freaks angekündigt. (Ich unterstelle, das Interesse von Hertha BSC und BFC Hooligans an der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit und einem Beitrag zum politischen Diskurs ausgerechnet auf dem Bassinplatz in Potsdam ist bei der Buchung des Charterbusses eher nachgeordnet gewesen.)

Die Reaktion ist vorhersehbar: Es wird eine Gegenveranstaltung geben. Der Oberbürgermeister ruft, “Potsdam ist bunt”, viele Menschen werden Krach machen. Es wird Provokationen von allen Seiten geben. Pegida Freaks werden geradeso vom Recht auf Meinungsfreiheit gedecktes Nazizeug brüllen. Autonome Freaks werden durchdrehen und Dinge schmeißen, die Polizei wird dazwischen stehen. Die CDU wird morgen “linke Gewalt” nicht hinnehmen, sie unberechtigt mit rechtem Terror gleichsetzen und fordern, dass sich so etwas nicht wiederholen darf. Die AfD wird in bester Tradition alles, was passiert für ihre lächerliche Kundgebung am Freitag ausschlachten und sich einen Ast freuen. Auf Facebook werden im Vorfeld und im Nachgang 47.564 Kommentare mit 212.456 Ausrufzeichen in diversen Gruppen gepostet, die jeweils den Vorredner für vollkommen geistesgestört erklären. Irgendein versprengter Nachwuchspolitiker wird zusammenhangslos eine Obergrenze für Flüchtlinge fordern.

Liebe Pegida, Pogida, etc. Demonstranten: Hört auf dem Spazierengehen-Unsinn. Lasst es. Bleibt weg. Kommt nicht wieder. Ja, ich weiß, Meinungsfreiheit, Recht auf … Ich will Euch Eure Ansichten auch nicht ausreden. Das hält das Land schon aus. Aber bitte führt diesen Tanz auf dem rhetorischen Drahtseil immer kurz vor dem Abgrund Volksverhetzung doch bitte woanders aus. Provoziert doch meinetwegen irgendwo auf einem stillgelegten Militärflughafen die Maulwürfe. Aber lasst diesen Unfug mitten in der Stadt und vor meiner Haustür. Ihr könnt das meinetwegen heute in Potsdam noch einmal ausprobieren, ob Ihr “das Volk” seid und daran scheitern. Aber lasst das bitte nicht zur Gewohnheit werden. Es ist lächerlich und anstrengend.

Danke.


Notiz an mich selbst

Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Du sollst keine Kommentare lesen. Nicht auf Facebook, nicht auf SpOn, nichtmal auf Monitor.de oder Tagesschau.de

Ausnahmen sind aaaas.de und ausgewählte andere Blogs, die nicht ihre gesamte Diskussionskultur auf Facebook ausgelagert haben.

Die besorgten Bürger mit ihrem “Der Staat …”, “… wird alles für die Ausländer ausgegeben …”, “Weltverschwörung!”, “Mimimi” gehen mir sowas von auf die Nerven.


Gestern vor der Haustür oder das Ende unseres Weihnachtsbaums

Soeben flatterte mir ein Zeitdokument entgegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das lange online ist (*), ich werde mir das mal für persönliche Zwecke abspeichern. Bitte Ton anschalten und beim weiteren Lesen anhören. (Der Ton ist deutlich wichtiger als das Bild)

Im Bild: Die Sicht aus einem der Busse, der gestern Berliner Bärgida-Aktivisten nach Potsdam zum angemeldeten “Abendspaziergang” bringen sollte. Wir hören: Die Protagonisten des Widerstands gegen die Islamisierung des Abendlands. Aber der Reihe nach.

Ich bin ja schon etwas älter und gemeinhin unverdächtig allzu radikale Positionen zu vertreten. Ich stimme in der allgemeinen Debatte um Kölner Hauptbahnhof, Pegida, Flüchtlinge, etc. Positionen wie der von Sascha Lobo (“Es ist nicht so einfach, wie man es gerne hätte“) zu. Ich halte die meisten Pegida-Demonstranten, BRD-Gmbh-Aluhut-Träger, wertkonservative besorgte Bürger, Krawall-Touristen auf Demos, Frauen-Belästiger, Taschendiebe, usw. hauptsächlich für Arschlöcher, die in der Regel deutlich zu wenig Demut vor dem Leben haben, dass sie hier leben dürfen. Ich finde es schade, dass mittlerweile jeder nur noch Informationen sucht, die seine Position untermauern. Ich wundere mich, dass ich heutzutage in dieser Frage großen Respekt vor Angela Merkel habe und hoffe, dass sie ihre Position (“Wir schaffen das“) gegen die Stammtischbazis durchbekommt.

Genug der Vorrede? Kommen wir zu meiner Haustür und dem Weihnachtsbaum.

Gegen Montag mittag die Informationen “Pegida-Demo heute Abend in Potsdam“, “Gegendemos hier und dort“, “Kommt doch alle“. Gegen 19 Uhr lief die erste Gegendemo vor dem Fenster (gegenüber der Wilhelmgalerie) vorbei. Kind 1 fragt. “Was ist das? Warum sind die so laut“. Wir antworten: “Die demonstrieren gegen dumme Leute, kann man ja mal machen.” Kind 1 geht ins Bett, “Bibi und Tina” ist lauter als Pegida und Antifa zusammen. Parallel schaue ich mal bei Twitter und in den MAZ Live-Ticker. Man schaut heut ja in einen Bildschirm und geht nicht raus. Eigentlich peinlich, aber wir haben die Ausrede, dass Kind 2 mit vier Wochen noch nicht zum differenzierten Bilden einer eigenen Meinung verpflichtet ist und außerdem gerade unglücklich war. Gegen 10 schlafen Kind 1 und 2, plötzlich bimmeln die Glocken der Peter und Paul Kirche auf dem Bassinplatz wie blöd. Aha, das machen die ja immer, wenn fragwürdige Redner auf dem Platz reden wollen. Was von Barrikaden im Internet gelesen. Selbst zum besorgtem Bürger geworden. Mein Auto parkte da neben einer Baustelle. Wenn das einer … beim Bauen einer Barrikade … Irgendein Kratzer … Irgendeine Lampe kaputt … Dann wäre ich aber spazieren gegangen !!! (Schweigersche Ausrufezeichen!!!) Nachschauen, alle schon weg Richtung Krankenhaus. Kurz hinterhergegangen. Selber ein Bild machen. Der Lügenpresse kann man ja nicht trauen. Und ob Russia Today berichten würde? Viele Polizisten, viele Gegendemonstranten, sahen im Nachtnebel alle gleich aus. Laute “Nazis raus” Sprechchöre. Hektisch brüllende Polizisten, hektisch brüllende engagierte junge Menschen. Viel Gerenne. Wohin erschloss sich mir nicht. Sah ein bisschen aus wie Kindergeburtstag oder Fange spielen. Nach Hause gegangen.

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Heute dann die üblichen Spiele. Die Reaktionen: “Randale wie in Potsdam stärkt die Pegida-Szene“, “CDU: Vorfälle sind nicht hinzunehmen“.

Wenn man die Stimmen in dem Bus hört, hat das gestern die Pegida Bewegung nicht gestärkt (“Potsdam ist verloren“). Der Reflex der CDU dauernd irgendetwas nicht hinzunehmen geht mir auf die Ketten. Genauso wie der Reflex “gegen Rechts- UND Linksradikale”. (Sehr schön übrigens die Bildbeschreibung in dem verlinkten Artikel “CDU-Fraktionschef Matthias Finken ist gegen linke und rechte Gewalt.“) Teile Eurer Partei sind mit Eurem wissentlich falschen Gebrülle (Die Rechtschreibkontrolle macht aus Geprolle übrigens Gebrülle, passt beides) wie “Obergrenze!”, “Gastrecht missbrauchen” übrigens mit dafür verantwortlich, dass diese “Besorgnis” immer weiter steigt. Nur so als Tipp: Den Leuten hier geht es grundsätzlich ziemlich gut, wenn man ihnen aber dauernd erzählt, wie wenig wir das alles schaffen, fängt man wirklich an, Angst zu haben. Aber ich schweife ab. Und wenn ich jetzt anfange mich über Horst Seehofer aufzuregen, nimmt das kein gutes Ende.

Meinetwegen kann man das alles aufarbeiten, “die Rädelsführer” suchen, nachdenken, wie man das in Zukunft anders machen kann. Sich über linke Chaoten beschweren (Ja, das sind wirklich teilweise Chaoten, die sind aber meistens 17 und in der Pubertät und kommen nicht wie die anreisenden Pegida-Spinner aus Berlin (!) mit dem Charter-Bus (!) zu einer Demo in eine für sie offensichtliche komplett fremde Stadt und äußern menschenverachtendes Zeug. “Nazis raus!” ist doch etwas anderes diese Mischung aus Angst, Dummheit, Freude über Gewalt in dem Bus)

Ich persönlich habe im Moment gar keine Angst vor den “Linken”. Ich brauche persönlich, wie gesagt, keine fliegende Steine (“Mein Auto …”), bin aber in der Lage zu abstrahieren, dass linke Chaoten hauptsächlich gegen rechte Chaoten stänkern wohingegen rechte Chaoten hauptsächlich gegen Unschuldige hetzen. Das macht mir deutlich mehr Sorgen. Aus der linken Szene nehme ich persönlich außerdem im Moment eine große zivilgesellschaftliche Unterstützung bei der Bewältigung der logistischen Herausforderungen wahr, das fehlt mir von der Gegenseite doch deutlich.

Insofern konnte ich eine heimliche Freude darüber, dass unser Weihnachtsbaum, der auf der Straße lag und eigentlich schon letzte Woche abgeholt werden sollte, heute weg war, nicht verhehlen. Er gehörte vielleicht zu den Dingen, die dem Bus entgegen geworfen wurde (Besser ‘nen Baum als ‘nen Stein) und dazu führte, dass die Bärgida-Besucher ihr Video mit den Worten “Fahr, fahr, fahr raus aus Potsdam” enden lassen.

Und das ist doch ein schönes Ende eines Weihnachtsbaums. Hat uns nicht nur schöne Feiertage beschert und Geschenke illuminiert sondern auch dafür gesorgt, dass diese Arschlöcher nicht wiederkommen.

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(Tree of love, außen Wilhelm-Galerie, hier spielt das obige Video)

(*) Es ist mir komplett rätselhaft, wie man dieses Video als Beteiligter freiwillig einer Öffentlichkeit zugänglich macht. Ich rechne damit, dass den Beteiligten das demnächst auffällt.


Kekse

Ach, ein Kleinod. Macht gute Laune.

via @holgi


Vierschanzentournee 15/16

Mit Erschrecken habe ich festgestellt, dass ich dieses Jahr von jedem Springen mindestens eine halbe Stunde gesehen habe. Und das hat weniger mit Richie und Severin als vielmehr mit Urlaub und einem iPad, was man auch bei seltsamen Beschäftigungen durch die Wohnung schleppen kann, zu tun.

Ja, immer mal wieder blitzt das auf, was mich mal vor Jahren vor dem Fernseher fesselte. Ja, ich finde immer noch, Tom Bartels gehört an den Schanzentisch und ich habe ihn richtig vermisst. Ja, die Bilder sind toll, die Leistungen wahrscheinlich irgendwie auch.

Aber mal ehrlich. Ein Haufen magersüchtiger Jungs mit verträumten Indie-Frisuren kachelt sich die Keramikspur in das grüne Tal hinunter. Wie weit sie springen, ist zwar nicht egal, aber gewinnen tut dann doch derjenige, der den besten Koeffizienten aus Wind, Absprungposition, Planetenkonstellation und Anzugfarbe hat. Vielleicht habe ich das vor zehn Jahren einfach nur entspannter zur Kenntnis genommen, aber mir scheint als Laie, da hat sich jemand nachhaltig seinen Sport ruiniert. Anstatt vielleicht Equipment vorzuschreiben, der ein Meter pro Sekunde Wind mehr oder weniger egal macht oder die Jungs zu zwingen, mal etwas zu essen, hat man sich da eine nette Computersimulation gebaut, die das ganze dann doch – hmm – etwas seltsam macht.

Kommentatorphrase #1 auf dem Index 2016: “Die Bedingungen …”