Taschenspielertricks

Ich kann mich erinnern, dass mir das folgend beschriebene beim Lesen auch auffiel. Und dann habe ich es vergessen. Vielleicht, weil ich als Mann von solchen Dingen nicht betroffen im Sinne von getroffen bin. Was es eigentlich umso wichtiger macht, das immer wieder zu thematisieren. Deshalb an dieser Stelle eine Gastbeitrag von Laura.

Am 12. August veröffentlichte die PNN einen Artikel zur Halbzeitbilanz der Kultur- und Bildungsdezernentin der Landeshauptstadt Potsdam Noosha Aubel. Für diesen Artikel wurden die Fraktionen der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung nach einer Einschätzung gefragt. Herr Kirsch vom Bürgerbündnis lässt sich in dem Artikel mit den Worten zitieren:

„Frau Aubel sieht nicht nur gut aus, sie ist auch fachlich kompetent.“

Wenn ich mich über jeden sexistischen Spruch aufregen würde, der mir über den Weg läuft, hätte ich keine Zeit mehr für andere Dinge, aber für diesen einen möchte ich mir kurz Zeit nehmen. Er ist nämlich so ein perfektes Beispiel, an dem man das Prinzip mal gut demonstrieren kann.

Ich kenne Herrn Kirsch nicht, und weiß nicht, wie es in seinem Herzen aussieht. Vielleicht ist er ein alter, aus der Zeit gefallener Mann. Vielleicht glaubt er wirklich, seine Worte wären ein Kompliment und nicht die Beleidigung, die sie sind. Vielleicht weiß er aber auch ganz genau, was er da tut. Vielleicht ist er einer von den vielen Menschen, die Worte wie diese gezielt einsetzen, um Dominanz zu demonstrieren.

Wir kennen alle einen solchen Mann. Er kommt z.B. immer zu jedem Termin ein kleines bisschen zu spät. Das liegt nicht etwa daran, dass er nie gelernt hat die Uhr zu lesen oder daran, dass er wahnsinnig schlecht organisiert ist. Er macht es, bewusst oder unbewusst, um sich selbst eine Bühne, einen echten Auftritt zu verschaffen. Alle sitzen schon und seht her, nun komme ich. Kinder, es geht erst richtig los, wenn der Papa da ist. Eine andere beliebte Technik dieser Männer ist die kurze, fast nicht merkliche Pause zwischen Anrede und Namen. Sie sagen nicht etwa „Guten Tag Frau Müller.“ Sie sagen „Guten Tag Frau… Müller“. Übersetzt: Sie sind so unwichtig, dass ich Probleme habe, mir ihren Namen zu merken. Das sind subtile Signale, die der Umwelt und auch sich selbst immer wieder zeigen sollen: Ich bin hier der Größte.

Nun also Herr Kirsch. Das in der PNN abgedruckte Statement war mitnichten ein schnelles, unbedachtes Wort, was in einem ungünstigen Moment in ein Mikrofon gehaucht wurde. Die Zeitung fragte die Fraktionen schriftlich an. Herr Kirsch setzte sich also an einen Computer und hatte mindestens ein paar Minuten Zeit, sich zu überlegen, was er da zurück schreibt. Das spricht für Vorsatz.

Nun sagt er zwei Dinge über Frau Aubel. Sie ist kompetent (eine Einschätzung, die er mit tatsächlich allen anderen Stadtverordneten teilt) und sie sieht gut aus (eine Thematik die von allen anderen unerwähnt bleibt). Im Kontext der Bewertung von Frau Aubels Arbeit in den letzten Jahren bietet sich eine Aussage über ihr Äußeres in keiner Form an. Nun spricht er das Thema aber nicht nur an, er stellt es auch der Kompetenz voran. Erst das Äußere, dann, fast wie eine Fußnote, die Kompetenz hinterher. Die Torte ist das Aussehen, die Kompetenz nur die Kirsche obendrauf. Der Bonus, das Unerwartete. Stell dir vor, sie sieht nicht nur gut aus, das wäre ja eigentlich genug, nein sie ist zusätzlich auch noch fachlich kompetent. Der Wahnsinn. Hat man sowas schonmal gehört? Das Einhorn unter den Frauen.

Diese persönliche Herabwürdigung ist ärgerlich, armselig, billig und durchschaubar. Es ist ein rhetorischer Taschenspielertrick, auf den Menschen zurückgreifen müssen, die keine Substanz haben. Was macht man, wenn man sich weder durch Haltung, Meinung, Inhalte oder, ja, Kompetenz Respekt verschaffen kann, aber trotzdem gern ein starker Typ wäre? Man holt Opas alten Instrumentenkoffer unter dem Bett hervor, pustet den Staub weg und kommt von nun an immer ein kleines bisschen zu spät zu Terminen. Es ist auch nur folgerichtig, dass Herr Kirsch sich in seiner Spitze auf Äußerlichkeiten konzentriert. Menschen ohne Substanz haben immense Probleme, die Substanz in anderen wahrzunehmen. Blender gehen immer davon aus, dass alle anderen eigentlich auch nur so tun. Eine Person, die einen guten Job macht und dabei gar nicht mal schwindeln muss, oder sich eine vollkommen künstliche Identität konstruiert, ist nicht wirklich vorstellbar für diese Menschen.

Ärgerlich, armselig, billig, durchschaubar. Ich freue mich auf den Tag, an dem so etwas endgültig nicht mehr vorkommt. Es wird noch eine Weile dauern. Aber ich möchte noch eins klarstellen. So nervig diese Sprüche auch sind, dieser Klimperkram wird uns gesellschaftlich nicht aufhalten. Frauen haben schon ganz andere Hürden genommen. Wir arbeiten weiter gemeinsam an einer Welt in der Menschen aller Geschlechter sich respektvoll begegnen.

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