Tour de France – Die Aufbereitung

Weitere Dimensionen der Aufbereitung und Inszenierung der Tour. Schnickschnack mit mittlerweile toten technischen Standards (MHP), Wein und Käse und Unterschiede zwischen den Sendern. Was das alles soll, steht hier. Dort gibt es auch ein Inhaltsverzeichnis, welches sich ganz von Zauberhand langsam mit Links füllt.

5.5 Interaktivität
Ein probates Mittel, die Zuschauer bei der Stange zu halten ist es sie einzubinden. Die interaktive Komponente hat in den letzten Jahren stark zugenommen. ARD und ZDF boten schon immer Gewinnspiele an und es gibt auch schon länger die Zuschauerredaktion beim Saarländischen Rundfunk, die Fragen beantwortet. Durch die Entwicklung der Kommunikationstechnologie sind mittlerweile aber noch ganz andere Dinge möglich. Bei Eurosport können Fragen per SMS gesendet werden, diese laufen teilweise in einem Laufband unten durchs Bild und die Kommentatoren beantworten diese, wenn die Zeit es erlaubt. Eurosport koppelt die Übertragung auch mit ihrem Internetforum zur Tour de France. Auch auf diese Posts wird reagiert. Sehr beliebt bei den Sendern sind auch Votings, bei denen die Zuschauer auf den Etappensieger tippen können. ARD und ZDF finden auch meistens einen Sponsor, der für diese Spiele Preise zur Verfügung stellt.

Ein weiterer Ansatz zur Interaktivität bietet die MHP-Technologie (Multimedia Home Platform). In der Redaktion von ARD Digital entsteht ein multimediales Angebot, dass der interessierte Zuschauer mit Hilfe eines Decoders jederzeit abrufen kann. Im Gegensatz zum doch etwas verstaubten Videotext bietet dieser Standard die Möglichkeit, sich sogar Videosequenzen noch einmal anzuschauen. Zwei verschiedene Möglichkeiten stehen dem Benutzer zur Verfügung. Die Overlay-Technologie ersetzt den herkömmlichen Videotext. Im Split-Screen-Verfahren läuft dagegen das Bild in einem kleinen Fenster weiter. Auf dem restlichen Bildschirm kann der Zuschauer die ständig aktualisierten Informationen wie Ticker oder Zwischenstände aufrufen. Diese Technik hat sicherlich ein großes Potenzial. Da es allerdings im Moment nur ca. 30.000 Haushalte mit einem MHP-Decoder gibt, findet dieses Angebot quasi noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. (Interview mit Christian Bruns, 2004) Es zeigt aber einen möglichen Weg zu noch mehr Interaktivität bei der Übertragung der Tour de France auf. Bei technischem Fortschritt sind durchaus noch mehr Optionen für den Zuschauer vostellbar. Der Konsument könnte beispielsweise ähnlich einigen Angeboten von Premiere zwischen verschiedenen Ton- oder Bildspuren wählen oder selbst entscheiden, wann er Zusammenfassungen oder eingespielte Beiträge sehen möchte.

Vollbildapplikation auf MHP-Basis

Overlay-Angebot von ARD-Digital, 2003. 2004 wird das Bild skaliert, so dass keine Informationen überdeckt werden. (beide Bilder ARD-Digital)

5.6 Rahmenprogramm
Die Sender beginnen teilweise schon weit vor den ersten Live-Bildern ihre Übertragungen. Besonders ARD und ZDF versuchen mit einem opulenten Rahmenprogramm die Zuschauer einzustimmen. Die Moderatoren Jürgen Emig (ARD) und Rudi Cerne (ZDF) leiten durch diesen Teil des Programms. Fast immer tauschen sie dabei Belanglosigkeiten mit den Experten oder wechselnden Interviewpartnern aus. Mit ihren Einschätzungen der kommenden Etappe soll das Publikum mit dem zu erwartenden Etappenverlauf bekannt gemacht werden. Gerne leisten sich die Sender auch einen ehemaligen Radprofi, der die Strecke in Teilen abfährt und dabei mehr oder weniger erschöpft von den unglaublichen Schwierigkeiten erzählt. Interviews mit Fahrern oder Einspieler über voraussichtliche Protagonisten der Etappe runden diesen ersten Block ab.

ARD und ZDF unterbrechen die Übertragung auch häufiger. Auf der einen Seite laufen Programmteile wie Werbung oder Nachrichten, die keinen unmittelbaren Bezug zu dem Sportereignis haben. Auf der anderen Seite wird wie erwähnt versucht, das Füllen der langweiligen Phasen nicht nur den Kommentatoren zu überlassen. Neben einigen vorbereiteten sportlichen Beiträgen und Zusammenfassungen des bisherigen Renngeschehens dominiert dann die Käse- und Weinberichterstattung über die jeweiligen Regionen der Etappe. In diesen Momenten mutiert die Übertragung der Tour de France zu einer gigantischen Werbeveranstaltung für die touristischen Regionen Frankreichs.

Teilweise gönnen sich die beiden öffentlich-rechtlichen Sender auch den Luxus eines eigenes Kamerateams. Dieses wird dann meistens auf Bergetappen mit einem Außenreporter zu deutschen Fans an der Strecke geschickt. Immer mal wieder wird dorthin geschaltet, um die „unglaubliche Atmosphäre“ einzufangen. Nachdem die Spitzengruppe mit einem Kameraschwenk eingefangen wurde, die Fans vor Begeisterung verzückt waren, ist der Spaß auch schnell wieder vorbei.

Ein weiterer Block mit dem Team Moderator/Experte rundet die Übertragung nach Ende der Etappe ab. Es wird dann ausgewertet und analysiert und immer auch gleich nach vorne geschaut. Schließlich hofft man auch am nächsten Tag wieder auf den interessierten Zuschauer vor dem Fernsehschirm. Durch die relative Wichtigkeit von ARD und ZDF auch im internationalen Vergleich gelingt es oft, noch O-Töne von den Athleten einzufangen. Wie alle diese Stand-Up Interviews geben die Aussagen nicht wirklich viel Wesentliches her, die visuelle Botschaft des erschöpften Helden ist es aber allemal wert, in die Wohnzimmer transportiert zu werden. Den Abschluss der Übertragung bilden die Bilder des Tages, die unterlegt mit dem jeweiligen Tour de France-Song des Senders, die Etappe emotional bündeln und den Zuschauer ins Vorabendprogramm entlassen.

Das Rahmenprogramm von Eurosport fällt viel geringer aus. Nach einer kurzen Begrüßung aus dem Studio geht es los. Auch die Nachbereitung der Etappe bleiben erst einmal die Kommentatoren auf Sendung. Da wenig eigene Interviews geführt werden, versuchen die Kommentatoren die laufenden Gespräche des französischen Fernsehens zu dolmetschen. Ein probates Mittel, da der Informationsgehalt meistens sowieso eher gering ist. Als Mittel zur Nachbetrachtung hat sich bei Eurosport jetzt das Deutsche Fenster etabliert. Weit nach Ende der Etappe wird diese in einem Studio für den deutschsprachigen Raum aufbereitet. Auch hier kommen wechselnde Interviewgäste zu Wort. Diese sind zwar selten so hochkarätig wie bei ARD und ZDF. Dafür durften sie sich vorher duschen und können erholt und mit etwas mehr Zeit ihre Meinung darlegen.

5.7 Unverhofft kommt oft
Sportliche Veranstaltungen leben von dem Nervenkitzel des Live-Erlebnisses. Unvorhersehbaren Ereignisse können jederzeit passieren. Auch die mediale Reaktion auf diese plötzlichen Änderungen des gewohnten Flusses ist extrem unterschiedlich und entzieht sich einer starren Einordnung. Natürlich versuchen die Medien diese so unverhofft eingetretene Steigerung der Dramatik zu nutzen. Bei der Tour de France tragen gerade Stürze zu einem zusätzlichen Nervenkitzel bei. Selbst sportlich eigentlich spannungsarme Phasen wie eine Abfahrt gewinnen so an Relevanz. Solche Dinge sind allerdings nicht zu planen und es kann durchaus passieren, dass der Topfavorit stürzt, wenn gerade die Nachrichten laufen.

5.8 Unterschiede zwischen den Sendern
Alle deutschen Sender haben eine Gemeinsamkeit: Das internationale Bild, das ihnen zur Verfügung gestellt wird. Sie bauen somit auf dem selben Material ihre Übertragungen auf. Allerdings lassen sich natürlich große Unterschiede besonders zwischen Eurosport und den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern feststellen.

Die Philosophie von Eurosport schlägt sich deutlich in der Gestaltung der jeweiligen Sendung nieder. Es wird versucht die Übertragung für Radsportfans zu produzieren. Es geht um den Sport und um nichts anderes. Das schlägt sich schon in der Besetzung der Kommentatorenplätze nieder. Wie bei allen Sendern sind zwei Personen für die Begleitung der Etappe zuständig, mit Jens Heppner sitzt bei Eurosport aber der Experte gleich mit am Sprecherplatz, hat also eine viel größere Präsenz als bei ARD und ZDF. Dem Kommentator Karsten Migels geht es darum, den Menschen die sportlichen Details näher zu bringen. Er möchte mit dem ehemaligem Profi Heppner, auch dem Radsportenthusiasten, der schon über Hintergrundwissen verfügt, gerecht werden. Eurosport hat in Bezug auf das Hintergrundwissen, was dem Publikum vermittelt werden kann auch den entscheidenden Vorteil, dass der Sender das ganze Jahr Radsportereignisse überträgt und somit über genügend Zeit verfügt, dieses Wissen ständig anzureichern.

Auch die Vor- und Nachbereitung ist bei Eurosport auf den sportlichen Aspekt fokussiert. Im sogenannten „Deutschem Fenster“, dem speziell für das deutschsprachige Publikum produziertem Programmteil werden Sportler interviewt und die Etappe ausgewertet. (Interview mit Karsten Migels, 2004) Die Nachbereitung wirkt relativ sachlich.

ARD und ZDF haben natürlich einen ganz anderen Ansatz bei der Übertragung. Sie sprechen nicht nur den Radsportfan sondern auch den Gelegenheitszuschauer an. Der Aufbau der Sendungen ist deshalb anders. Der Zuschauer wird quasi an die Hand genommen und in das sportliche Event hineingeführt. Natürlich steht die Etappe und das sportliche Geschehen im Mittelpunkt, allerdings nimmt hier das Rahmenprogramm einen größeren Raum ein. Es werden mehr Elemente der Unterhaltung eingebaut, Hintergrundberichte, Ausflüge in die Tour-Geschichte und Interviews füllen die Zeit bis zum Start der eigentlichen Übertragung. Bei ARD und ZDF fährt dann schon einmal ein ehemaliger Rennfahrer die Teile der Strecke ab, während bei Eurosport die Sendung noch nicht einmal begonnen hat.

Bedingt auch durch das höhere Budget haben die öffentlich-rechtlichen Sender auch mehr Möglichkeiten, die Übertragung aufzulockern. So werden dann auch Kamerateams zu deutschen Fans in ihren Wohnwägen geschickt oder Filme über die touristischen und kulinarischen Sehenswürdigkeiten am Rande der Strecke vorbereitet. Allerdings sind ARD und ZDF bei ihrem weniger sportfixiertem Publikum auch quasi dazu verpflichtet, weil ihre Zuschauer im Gegensatz zu den echten Radsportfans den relativ bedeutungslosen Phasen noch weniger abgewinnen kann.

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