Tour de France – Sport im Fernsehen

Im zweiten Teil des ersten Kapitels gibt es veraltete Statistiken. Ich glaube kaum, dass Radsport heute noch auf Platz 4 in der Rangliste der Sendestunden liegt. Außerdem gibt es Zahlenfutter wie die Quote des Finals der Fußball-WM 2002 als Trivial Pursuit Wissen oder um mal bei einer Stehparty jemand zu beeindrucken. Was das alles soll, steht hier. Dort gibt es auch ein Inhaltsverzeichnis, welches sich ganz von Zauberhand langsam mit Links füllt.

1.3 „Fußball ist unser Leben“ – Sportarten
König Fußball regiert den deutschen Mediensport. Unangefochten thront der deutsche Lieblingssport mit rund 3853 Programmstunden im Jahre 2001  an der Spitze. Mit weitem Abstand folgen Tennis, Automobil- und Radsport. (Burk/Digel in Schwier, 2002) Die Grafik verzerrt die Wahrnehmung aber ein wenig.

Top 5 der Sportarten nach Sendedauer (Burk/Digel in Schwier, 2002)

Der reine Sendeanteil der Sonstigen ist mit 40% relativ hoch. Dies ist hauptsächlich auf die Aktivitäten der Spartensender zurückzuführen, die teilweise auch bisher unbekannte Sportarten wie Curling oder Snooker etablieren wollen. Einerseits möchten sie sich damit bei einer speziellen Zielgruppe profilieren, andererseits haben sie auch nicht die Mittel für die Rechtebeschaffung attraktiverer Programme.

Trotzdem ist es mehr als legitim von einigen dominierenden Fernsehsportarten zu sprechen. Radsport liegt beim Sendeanteil dabei auf Platz 4. Allerdings dürfen diese relativ guten Zahlen nicht überinterpretiert werden. Die Live-Übertragung eines Radrennens nimmt natürlich wesentlich mehr Zeit in Anspruch als beispielsweise ein Boxkampf oder ein Wettbewerb im Skispringen.

Aussagekräftiger sind da schon Untersuchungen über die Beliebtheit von TV-Sportarten. Hierbei zeigt sich, dass Radsport noch hinter Boxen, Wintersport und Leichtathletik liegt. Trotzdem taucht Radsport wenigstens im Spektrum der Sportarten noch auf und verschwindet nicht, wie viele andere, selbst olympische Sportarten in der grauen Masse der „Sonstigen“. Um auf Luhmann zurückzukommen, er findet also wenigstens statt.

„Das sehe ich gerne, das schalte ich extra ein“ (VuMa 2002/ARD-Werbung sponsornews 01/2003)

Gerade auf die beiden privaten Sender SAT.1 und RTL hat diese Beliebtheit natürlich einen großen Einfluss. Sie  konzentrieren sich aus wirtschaftlichen Gründen auf wenige, vermeintlich quotenträchtige Ligen oder Sportarten. Aktuell sind im Privatfernsehen die Champions League (SAT.1), die Formel Eins und die Vierschanzentournee (beide RTL) zu sehen. Für den Fall, dass eine Sportart nicht mehr den gewünschten Erfolg beim Publikum erzielt, wird sie auch relativ schnell wieder aus dem Programm genommen. (Boxen, Tennis). Umgekehrt bemühen sich die Sender aber auch um Sportarten, deren Beliebtheit steigt. Gerüchteweise möchte sich RTL beispielsweise die Übertragungsrechte für die Tour de France ab 2005 sichern. (Netzzeitung, 27. Juli 2003)

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind dagegen bis jetzt immer im Besitz der Rechte für die Großereignisse gewesen (EM und WM im Fußball, Olympia). Sie leisten sich aber auch gerade am Wochenende oft eine lange Strecke von „bunten“ Sportsendungen mit der Übertragung einer Vielzahl von Sportarten.

1.4 Sport ist wichtig
Sport ist aus der Welt des Fernsehens nicht mehr wegzudenken, er gehört zu den bestimmenden und imageprägenden Merkmalen der konkurrierenden Sender. Der Sendeanteil ist dabei nicht einmal das entscheidende Kriterium. Er ist mit ca. 10% bei ARD und ZDF und nur 2,4% bei SAT.1 und RTL relativ gering. (Burk/Digel in Schwier, 2002)

Wichtiger ist die Wertschätzung, welche die Sportübertragungen beim Publikum erfahren. Regelmäßig wird die Jahresbestenliste der beliebtesten Fernsehsendungen von Sportsendungen dominiert.
Im Jahr 2003 war die Übertragung des vorentscheidenden Gruppenspiels in der Fußball-EM-Qualifikation gegen Schottland mit 15,18 Millionen Zuschauern die erfolgreichste Sportsendung. Dieser Wert wurde nur zweimal von Thomas Gottschalk mit „Wetten Dass …“ übertroffen. Der Spitzenwert des WM-Finales 2002 mit 26,52 Millionen Zuschauern wurde 2003 allerdings nicht erreicht. Diese astronomische Zuschauerzahl zu einer ungewöhnlichen Tageszeit am frühen Nachmittag zeigt aber die ganze Strahlkraft der Sportübertragungen im TV. Im Wettbewerb der Sportarten dominiert ganz klar König Fußball, allerdings profitieren andere Sportarten wie die Formel 1 mit drei Übertragungen unter den Top 10 der Zuschauergunst und Skispringen von einer fehlenden EM oder WM im Jahr 2003. Die beliebteste Sportsendung in Magazinform, also ohne den Nervenkitzel des Live-Erlebnisses, ist die Zusammenfassung der Bundesliga, seit Sommer 2003 in der Sportschau in der ARD. Nach 17 Spieltagen der Saison 2003/04 erreichte der WDR als produzierende ARD-Anstalt mit dieser Sendung im Durchschnitt 5,57 Millionen Zuschauer und liegt damit knapp 1,2 Millionen pro Spieltag höher als SAT.1 im Vorjahr. Es ist aber zu erkennen, dass herausragende Live-Übertragungen beim Publikum deutlich mehr Zuspruch genießen. (dpa in MAZ, Dezember 2003)

Mit der Einführung des Dualen Systems wurde wie erwähnt der Wettbewerb dramatisch verschärft. Ein Indikator für die Relevanz der Sportarten sind die Summen, welche die einzelnen Sender auf den Tisch legen, um die gewünschte Sportart exklusiv zu präsentieren. Zahlte die ARD 1985/86 noch ca. 6 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der Fußballbundesliga, musste die KirchMedia für die Spielzeiten 2000/01 – 2003/04 insgesamt ca. 1,5 Milliarden Euro überweisen. (Lilienthal, 1987 und Schwier, 2002)
Zwar scheint die Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Kirch-Imperiums rückläufig zu sein, allerdings bewegen sich die Preise für die Top-Events immer noch auf sehr hohem Niveau.

Der Wimbledon Sieg Boris Beckers 1985 gilt dabei als Benchmark. Mit der Übertragung des Turniers und dem unerwarteten Aufstieg eines nationalen Heroen realisierten die TV-Sender wie gut sich Sportübertragungen eignen, um das Publikum an sich zu binden. Auch wenn es heute auf Grund der hohen Rechtekosten fast unmöglich ist mit Sportsendungen Geld zu verdienen, möchte doch kein Sender darauf verzichten, sein Publikum mit exklusiven Berichten emotional an sich zu binden. Der Wechsel der Fußballbundesliga von SAT.1 zur ARD zum Beginn der Saison 2003/04 wurde als Ereignis nationaler Tragweite („Football’s coming home“) stilisiert, Harald Schmidt begann jede Show mit den Worten: „Willkommen im Champions League Sender SAT.1!“

Die Relevanz des Sportes im TV unterstreicht auch ein für die Fernsehgeschichte einmaliges Ereignis. „Am 18. März einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder in Berlin auf eine Liste, welche jene Sportereignisse umfasst, die unverschlüsselt und für jedermann zugänglich im Fernsehen gezeigt werden müssen.“ (Burk/Digel in Schwier, 2002, S. 114f) Was war geschehen?  Um die Attraktivität seines schwächelnden Pay-TV-Senders zu steigern, hatte sich KirchMedia die Rechte für die Fußball WM 2002/06 gesichert und wollte die Partien verschlüsselt und exklusiv bei Premiere World ausstrahlen. Nach einer Änderung der vierten Novelle des Rundfunkstaatsvertrages (vgl. §5a des 4. Rundfunkstaatsvertrages) müssen nun eine Reihe von Sportveranstaltungen frei im Fernsehen zu empfangen sein. Es handelt sich dabei um die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Finale einer WM oder EM, die Endspiele der europäischen Fußballwettbewerbe mit deutscher Beteiligung, die Halbfinals und das Finale im DFB Pokal sowie die Olympischen Spiele.

Sport  ist heute eine der wichtigsten Säulen des deutschen Fern­sehens. Die Politik kämpft vehement (als Anwalt des „kleinen Mannes“) für die Verfügbarkeit und die Sender müssen versuchen die enormen Summen, die sie aufbringen, um exklusiv eine Sportart oder ein Ereignis zu übertragen zu refinanzieren.
Überall wo so viel Geld im Spiel ist, professionalisiert sich natürlich auch die Branche. Die Sportübertragungen sind nicht mehr nur ein bloßes Abbilden der Ereignisse. Das Ziel der Sender, den Zuschauer zu emotionalisieren, wird mit Hilfe zahlreicher Inszenierungsformen versucht zu erreichen.

2 Kommentare

2 Responses to “Tour de France – Sport im Fernsehen”

  1. Gazza

    Was ist bitte der Unterschied zwischen Autosport und Motorsport? Ja, ich weiß, Motorräder. und Motorbootrennen gehören sicher in die zweite Kategorie, aber die Trennung erscheint mir unnötig. Mal ehrlich, wer schaut denn heute noch Tennisübertragungen?

  2. Ich habe nochmal nachgeschaut. Diese Statistik hatte wirklich eine Trennung zwischen Auto und Motorsport. Wahrscheinlich weil sich wirklich viel auf die 4 Räder und die zwei Schumis konzentriert hat. Aus heutiger Sicht ist das natürlich Quatsch und die Urheber der zweiten Statistik machen das ja auch nicht.

    Ohne jetzt Zahlen parat zu haben. Wahrscheinlich hat Wintersport sich verbessert und alle anderen haben sich gegenüber Fußball verschlechtert. Spannend wäre also eher eine Grafik, die eine Entwicklung über mehrere Jahre aufzeigt.

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