“… irgendwas mit Fußball”

antworten viele Aktive kurz vor Ende ihrer aktiven Laufbahn auf die Frage, was sie in Zukunft so treiben wollen. “Ich mache dann den Sondertrainerlehrgang für verdiente Nationalspieler“, “Ich kann mir vorstellen, Aufgaben im Management zu übernehmen.” “Wir werden ihn weiter in den Verein einbinden. Er ist mit seiner Erfahrung sehr wertvoll für uns“, schallt es von Vorstandsseite dann gerne zurück.

Ungefähr 8.000 Erstligaspiele und 639 Länderspiele Erfahrung sind in den Führungsetagen der Bundesliga versammelt. Und da sind die diversen Co- und Torwarttrainer, Fanbeauftragten und Menschen im Merchandising noch nicht einmal mitgezählt. Garniert wird dieses Gruselkabinett der Ehemaligen durch langjährige Brillenträger aus den Schubladen “Sportfunktionär” und “gefährliche, kleine Männer mit Profilneurose”.

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Die Bundesliga – Symbolbild. (Quelle: wikipedia)

Sonnenklar, warum Rudi Assauer gerne zugibt, den Herrn Slomka nicht auf der Rechnung gehabt zu haben, als es um einen Nachfolger von Jupp Heynckes Ralf Rangnick als Trainer von Schalke 04 ging. Schließlich ist dieser doch wahrhaftig der einzige Coach in der Bundesliga ohne ein einziges Bundesligaspiel. Und so jemand stellt man doch nicht ein.

Natürlich ist es kein Nachteil für eine Karriere in einem Bundesligisten, wenn man sich als jugendlicher Twen als Spieler ein wenig mit der Materie beschäftigt hat. Man darf aber nicht vergessen, dass die ehemaligen Kicker dies meist anstelle einer Berufsbildung taten. Und das Anforderungsprofil an einen Profi im Allgemeinen keine Kompetenzen aus den Bereichen Auslandsvermarktung, Personalmanagement oder Krisenkommunikation beinhalt. Es gibt ja auch Angebote für den 2. Bildungsweg von verdienten Sportlern. Einfach wie Steffen Heidrich 9.000 Euro bezahlen und eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Vereinsmanager machen. Der Kurs wird leider im Moment nicht angeboten, das Programm liest sich aber machbar. Und danach kann das in der Wikipedia als Studienabschluss an der TU Dresden vermerkt werden.

Nun war der liebenswerte Anachronismus Bundesliga noch nie für besondere Innovationskraft berühmt. Trotz Auslandsvermarktung, Webseite in Chinesisch und Trainerteam ist doch die einhellige Meinung: Wir wissen, wie es geht. Bei uns ist keiner schwul. Früher war alles besser und im Zweifelsfall ist der Trainer schuld. Müßig die Hoeneßchen Auslassungen in Bezug auf eBay und Amazon zu wiederholen. Dabei sind die Bayern mit ihrem Wirken noch mit die Einzigen, die ehrlicherweise behaupten können, in fast allen Dingen erfolgreich gewesen zu sein. Damit sind sie wahrscheinlich leider auch Vorbild für die ganzen Knallchargen aus Dortmund, Nürnberg und Berlin.

Für dieses in sich geschlossene System hat diese Personalpolitik den Vorteil, das es sich damit selbst immer wieder rechtfertigt. Nicht schlecht für die Protagonisten, die verständlicherweise wenig Interesse daran haben, ihre Position im Scheinwerferlicht zu verlieren. Das führt dazu, dass Udo Lattek immer noch im Doppelpass Platitüden und Weisheiten aus den 70ern von sich geben darf. Das einzige was einem dazu noch einfällt, hat Manni Breuckmann irgendwann in den letzten Wochen in dieser Runde von sich gegeben: “Oppa erzählt ausm Krieg”. Höchstwahrscheinlich der weiseste Satz, der im “Doppelpass” je fiel.

Vielleicht ist das ein wenig mit dem Radsport zu vergleichen. Da die ganzen Teamchefs und sportlichen Leiter früher alle gedopt haben, wurde das heutige Doping nie ernsthaft in Frage gestellt und stattdessen die Realität ein wenig zurecht gebogen. In der Bundesliga ist das nicht so offensichtlich, aber alle sind sich einig, dass man international ein wenig den Anschluss verloren hat und gucken sich fragend an, warum.

Der deutsche Fußballkaiser Franz Beckenbauer personifiziert somit ganz zurecht den deutschen Fußball. Ein bißchen altertümlich und weltfremd, dafür ausgestattet mit einer gewissen Bauernschläue und viel vergangenem Ruhm. Des poasst scho’.

Es bleiben zwei spannende Fragen. Wieso gibt es so wenig Quereinsteiger in den Führungsetagen der Bundesliga und was würde passieren, wenn beispielsweise ein Klub wie Hertha BSC mal mit einer qualifizierten Vereinsspitze ausgestattet würde.

Das ganze Ehemaligenkabinett nach dem Klick.

VfB Stuttgart
Präsident Erwin Staudt
Geschäftsführer Ulrich Ruf (Vorstand)
Sportdirektor Horst Heldt (2 Länderspiele, 358 Bundesligaspiele)
Cheftrainer Armin Veh (65 Bundesligaspiele)

Schalke 04
Vorstandsvorsitzender Josef Schnusenberg
Geschäftsführer Peter Peters
Sportdirektor Andreas Müller (338 Bundesligaspiele)
Cheftrainer Mirko Slomka (nur unterklassige Ligaspiele)

SV Werder Bremen
Geschäftsführer:
Jürgen L. Born
Klaus Allofs (515 Erstligaspiele, 56 Länderspiele)
Klaus-Dieter Fischer
Manfred Müller
Cheftrainer Thomas Schaaf (262 Bundesligaspiele)

FC Bayern München
Präsident Franz Beckenbauer (424 Bundesligaspiele, 103 Länderspiele)
Geschäftsführer Karl-Heinz Rummenigge (424 Erstligaspiele, 95 Länderspiele)
Sportdirektor Uli Hoeneß (250 Bundesligaspiele, 35 Länderspiele)
Cheftrainer Ottmar Hitzfeld (22 Bundesligaspiele, 5 Olympiaauswahlspiele)

Bayer 04 Leverkusen
Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser
Sportdirektor Rudi Völler (469 Erstligaspiele, 90 Länderspiele)
Cheftrainer Michael Skibbe (14 Bundesligaspiele)

1. FC Nürnberg
Präsident Michael A. Roth
Geschäftsführer Ralf Woy
Sportdirektor Martin Bader
Cheftrainer Thomas von Heesen (368 Bundesligaspiele für den HSV)

Hamburger SV
Präsident Bernd Hoffmann
Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer (254 Bundesligaspiele, 1 Länderspiel)
Cheftrainer Huub Stevens (Spieler für Fortuna Sittard und PSV Eindhoven, 18 Länderspiele)

VfL Bochum
Präsident Werner Altegoer
Geschäftsführer Ansgar Schwenken
Sportdirektor Stefan Kuntz (449 Bundesligaspiele, 25 Länderspiele)
Cheftrainer Marcel Koller (17 Jahre Grashoppers Zürich, 56 Länderspiele)

Borussia Dortmund
Präsident Dr. Reinhard Rauball
Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke
Sportdirektor Michael Zorc (463 Bundesligaspiele, 7 Länderspiele)
Cheftrainer Thomas Doll (357 Erstligaspiele, 47 Länderspiele)

Hertha BSC
Präsident Bernd Schiphorst
Geschäftsführer Ingo Schiller
Sportdirektor Dieter Hoeneß (292 Bundesligaspiele, 6 Länderspiele)
Cheftrainer Lucien Favre (24 Länderspiele)

Hannover 96
Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer Martin Kind
Sportdirektor Christian Hochstätter (339 Bundesligaspiele)
Cheftrainer Dieter Hecking (36 Bundesligaspiele)

Arminia Bielefeld
Präsident Hans-Hermann Schwick
Geschäftsführer Roland Kentsch
Cheftrainer Michael Frontzeck (436 Bundesligaspiele, 19 Länderspiele)

Energie Cottbus
Präsident Ulrich Lepsch
Geschäftsführer Lars Schauer
Sportdirektor Steffen Heidrich (152 Erstligaspiele, 1 Länderspiel)
Cheftrainer Bojan Prasnikar (Spieler in Slowenien)

Eintracht Frankfurt
Vorstand:
Heribert Bruchhagen
Dr. Thomas Pröckl
Heiko Beeck
Sportdirektor Rainer Falkenhain
Cheftrainer Friedhelm Funkel (320 Bundesligaspiele)

VfL Wolfsburg
Präsident Dieter Pötsch
Geschäftsführer
Klaus Fuchs
Wolfgang Hotze
Sportdirektor und Cheftrainer Felix Magath (306 Bundesligaspiele, 43 Länderspiele)

Karlsruher SC
Präsident Hubert H. Raase
Präsidium
Michael Steidl
Rainer Schütterle (236 Bundesligaspiele)
Sportdirektor Rolf Dohmen (59 Bundesligaspiele)
Cheftrainer Edmund Becker (94 Bundesligaspiele)

Hansa Rostock
Präsident Dirk Grabow
Sportdirektor Herbert Maronn
Cheftrainer Frank Pagelsdorf (230 Bundesligaspiele)

MSV Duisburg
Präsident Walter Hellmich
Geschäftsführer:
Björn Bremer
Dietmar Cremer
Sportdirektor Bruno Hübner
Cheftrainer Rudi Bommer (417 Bundesligaspiele, 6 Länderspiele)

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