Die Jagd nach Ms. X – SECHSTE STATION

Manchmal muss man genauer hinschauen, um zu erkennen, dass eine Straße (auch) nach einer Frau benannt ist. In Potsdam gibt es vier Straßen, die nach einem Mann und einer Frau gemeinsam benannt sind. Das offensichtlichste Beispiel ist die Geschwister-Scholl-Straße (Hans und Sophie Scholl). 

Unsere Ms. X teilt sich eine Straße mit ihrem Ehemann. Sie kommt 1897 in Paris als Tochter berühmter Eltern zur Welt. Sie ist als Jugendliche in Schweden dabei, als ihre Mutter 1911 ihren zweiten Nobelpreis entgegennimmt. Auch sie selbst wird Wissenschaftlerin. Sie studiert Mathematik und Physik, arbeitet am Institut ihrer Mutter und lernt dort einen Chemie-Laboranten kennen, den sie anweisen soll. Die beiden heiraten 1926 und tragen fortan beide einen Doppelnamen. Ihre zwei Kinder werden später ebenfalls in der Kernphysik und Biochemie forschen. Ms. X und ihr Ehemann erhalten 1935 gemeinsam den Nobelpreis für Chemie und stellen damit wahrscheinlich sicher, für immer die Familie mit der höchsten Nobelpreisdichte zu sein.

Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist sie auch stark politisch engagiert. Sie und ihr Mann beteiligen sich 1934 an einem Aktionskomitee antifaschistischer Intellektueller.  Sie ist eine der ersten drei Frauen, die in das französische Kabinett berufen werden – noch bevor Frauen dort das Wahlrecht haben. Sie bewirbt sich immer wieder erfolglos um einen Sitz in der französischen Akademie der Wissenschaften, um deren frauenfeindliche Tradition, ausschließlich Männer aufzunehmen, anzuprangern. 1956 stirbt sie an Leukämie. Die französische Regierung ordnet ein Staatsbegräbnis an.