Es geht nicht ums Geld

In Potsdam wird aktuell – wieder einmal – die Diskussion geführt, ob in Zukunft für den Park Sanssouci ein Eintrittsgeld verlangt werden soll. Die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten klagt, dass die Pflege des Welterbes zu teuer ist. Die Stadt Potsdam beschloss deshalb heute, der Stiftung ab 2014 jährlich für 5 Jahre maximal 1 Million Euro zu überweisen. Dieses Geld muss natürlich irgendwo herkommen. Im Gespräch sind deswegen Modelle wie eine Tourismusabgabe oder eine Bettensteuer.

In der undurchsichtigen Gemengelage, die diese niedliche kleine Landeshauptstadt kennzeichnet, ist da wohl ein gewisser Druck vorhanden. Es gibt keine Mehrheit für eine Tourismusabgabe, die Stiftung will die Kohle aber schnell, sonst doch Eintritt usw. Interessant ist dieses Geflecht schon, schließlich gehört die Stiftung zu unterschiedlichen Teilen den Ländern Berlin, Brandenburg und dem Bund (siehe Wikipedia), es ist also schon erstaunlich, dass diese Institution eine Stadt wie Potsdam unter Druck setzen kann. Das seltsame Verhalten der “Schlossherren” ist aber Tradition, eine gewisse Berühmtheit erlang die SPSG durch den Streit um die Bildrechte an Aufnahmen ihrer Liegenschaften.

Ich maße mir jetzt nicht an, diesen lokalpolitischen Zusammenhang komplett zu erfassen und komplett in der sicherlich komplexen Materie zu stecken. Gelinde gesagt schockiert war ich aber, als ich bei meiner Familie die aktuelle Ausgabe der Potsdamer Neuesten Nachrichten – eine von zwei Potsdamer Lokalzeitungen und Teil der Tagesspiegel-Gruppe – entdeckte. In einer Anzeige auf einem doppeltem Titelblatt warb die “Initiative gegen eine Tourismusabgabe als neue Sondersteuer für Potsdamer”.

Mehrere Mitglieder meiner Familie fanden die Zeitung heute in ihrem Briefkasten obwohl sie sie nicht abonniert haben. (Ich hatte sie nicht, vielleicht, weil ich in einer Wohnung wohne, die ich vor 10 Jahren nur bekommen habe, weil ich damals WBS-Anspruch hatte, aber das ist bestimmt eine haltlose Vermutung und unzulässig polemisch) Abgesehen davon, dass ich solche überdeckten Titelblätter sowieso fragwürdig finde, besonders weh tut das, wenn der Aufmacher der Zeitung an dem Tag die “Mammutsitzung zu historischen Weichenstellungen” (eben u.a. dem Parkeintritt) ist. Ist das die Rolle der Medien in der heutigen Zeit?

Auf dem Cover wird noch verkündet, dass die Verantwortlichen der Anzeige eine “faire Lösung” für Potsdam haben. Zumindest für die demokratischen Parteien, die sich da beteiligt haben – die FDP, das BürgerBündnis und die “Potsdamer Demokraten” – finde ich das beschämend und stillos, dass sie dieses Mittel der demokratischen Willensbildung benutzen, wenn am selben Tag eine Sitzung des Parlaments ansteht. Ich kann das nicht einmal begründen, es ist einfach “uncool” und sollte diverse Karmapunkte Abzug geben. (“Man kann sich ja nicht sicher sein, was diese Journalisten so schreiben, also kaufen wir die halt mal”).

Das liebliche iStockphoto.com-Motiv der glücklichen Familie im Park, die offene Frage, die freundliche Anmutung und die Betonung der totalen Sinnhaftigkeit und Fairness sind dann grundlegende Elemente des fortgeschrittenen Lobbyismus, soweit so klar und traurig. Blättert man das Ding um, verkünden dann 8 Vertreter der Käufer der Anzeige ihre Meinung.

Ich finde es armselig von den PNN, dieses Spiel mitzumachen. Direkt neben dem Aufmacher, dem durch die Position auf der Seite 1 eine Relevanz zugesprochen wird, platziert man keine Anzeige einer Gruppierung, die eine eindeutige Position in dieser Debatte vertritt. Und noch schlimmer ist es, wenn an diesem Tag die Zeitung umsonst in diversen Haushalten verteilt wird. Wurde diese Aktion auch vom Käufer der Anzeige bezahlt? Das wirft kein gutes Licht auf die journalistische Unabhängigkeit des Blattes.

Ich stelle gerade fest, dass ich mich schon auf zwei Kilometern des wertvollen Internet-Platzes über die Form aufgeregt habe, ohne mich überhaupt über den Inhalt zu echauffieren. Das ist kein gutes Zeichen.

Aber kommen wir zum Inhalt. Arndt Gilda-Bötzow (DEHOGA, Interessensvertreter des Brandenburger Gastgewerbes), Karin Genrich (Handelsverband Berlin Brandenburg), Jürgen Rose (Präsident der Handelskammer Potsdam), Johannes von der Osten-Sacken (FDP), Wolfhard Kirsch (BürgerBündnis Potsdam, Inhaber der Kirsch und Drechsler Hausbau GmbH), René Kohl (IHK Potsdam), Johannes Haerkötter (Vorstand der Innenstadt AG) und Peter Schultheiß (Fraktion Potsdamer Demokraten) legen in ihren Statements dar, dass alle Modelle der Refinanzierbarkeit der einen Million scheiße sind und der Parkeintritt cool ist. Soweit die verknappte Darstellung der “fairen und sinnvollen” Lösung für Potsdam. Parkeintritt ist nicht so teuer, für direkte Anwohner und Kinder umsonst, Steuern sind doof, weil die Gewerbetreibenden leiden und Bettenabgabe ist auch doof, weil ja nicht alle, die in Potsdam übernachten in die Parks gehen, das irre kompliziert und außerdem wie gesagt doof ist. Außerdem sind 2 Euro Parkeintritt ja nicht viel. Soweit die Argumentationslinien.

Bürgermeiser Jann Jakobs hatte leider heute kein Budget um die Titelseite der PNN zu kaufen, sondern konnte nur auf der verstaubten Internetseite der Stadt eine Kolumne schreiben, in der er bekräftigt, dass er für eine freien Parkeintritt kämpft.

Ich habe gar keine Lust auf die lobbyistische Argumentation der acht Damen und Herren im Einzelnen einzugehen. Ich rechne also nicht aus, ob die Vertreter des Gastgewerbes nach der der Mehrwertsteuersenkung der Schwarz-Gelben Regierung mal nicht so laut schreien sollten, wenn es um Steuern geht. Ich werde nicht im Detail darlegen, dass der Vergleich mit dem Volkspark Potsdam, für den man Eintritt bezahlt, nicht zulässig ist. (Nur als kleiner Hinweis: Im Volkspark Potsdam darf man für den Eintritt zum Beispiel die Wiese betreten. Auch eine nette Anekdote am Rande: Das Foto aus dem Fotoarchiv, das die Käufer der Anzeige benutzen, stellt ein Verhalten dar, was im Park Sanssouci verboten ist)

Ich finde es schlicht erbärmlich, wenn die Diskussion auf dem Niveau geführt wird “2 Euro Eintritt tun dem Einzelnen nicht weh, eine Steuer oder Abgabe uns aber sehr”. Die Vereinbarkeit von Weltkulturerbe und täglichem Leben ist nicht immer leicht, da kann man trefflich drüber streiten. Was muss bewahrt und geschützt werden? Was muss nutzbar und “lebendig” bleiben? Sollte jeder Baum, den Friedrich gepflanzt hat im Zeifelsfall einen Sportplatz am Rande verhindern? Wer kümmert sich um die langfristige Perspektive der Anlagen, wer räumt den Müll weg? Das Potsdamer Welterbe ist ca. 500 Hektar groß, die größte deutsche Welterbestätte und das Ding liegt netterweise mitten in einer Stadt. Das ist schön. Wer lebt nicht gerne in einer schönen Stadt?

Wenn diese Barriere einmal fällt, der “Eintritt” in diese Anlagen einmal mit einer Pflichtzahlung verbunden ist, egal ob es 5 Cent oder 1.000 Euro kostet ist eine Linie überschritten, die aus der Stadt endgültig eine Modelleisenbahnplatte macht. Mir persönlich geht es gar nicht darum, dass ich dieses Geld nicht aufbringen könnte, obwohl ich mich natürlich frage, ob die drei Meter, die ich im Park zurücklege, wenn ich das Kind in den Kindergarten bringe, weil der Kindergarten da nun einmal steht, zukünftig eintrittspflichtig sind.

Mit geht es darum, dass ich es wichtig finde, dass sich die Stadt, die Politik, die Wirtschaft und die Einwohner dazu bekennen, diese Anlagen nicht nur zu erhalten sondern auch zu nutzen. Sie für Touristen und Einheimische frei zugängig zu halten. Für alle Zeiten und so. Den Parks ist es egal, wie viel Geld man hat und wer Geld hat. Ein schöner Zustand, wenn man bedenkt, aus welchem Gesellschaftssystem die Anlagen ursprünglich kamen und welche Systeme sie überdauert haben. Wenn im Winter der Heilige See zufriert und die ganze Stadt da rauf läuft, oder die Eierberge in Sanssouci zum Rodeln genutzt werden, ist das genauso in Ordnung, wie die Massen an Touristen, die mir im Sommer die Wege versperren. Genau dieser Zustand – dass die Anlagen nicht wie zu DDR-Zeiten teilweise verfallen und trotz aller Bewahrungsgedanken ein Minimum an Leben dort möglich ist – ist das Bewahrenswerte. Oder sollen sonst Jugendliche, die am Heiligen See Wein trinken und nackt baden gehen vorher ne Eintrittskarte kaufen? Menschen, die romantisch an den römischen Bädern langspazieren Angst haben, dass ein Parkwächter sie erwischt und sie zur Rede stellt, weil sie eine Jahreskarte zu Hause vergessen haben? Touristen, die  nicht kapieren, wo und wie man die Tickets kauft, mit der Brandenburger Herzlichkeit zu Strafzahlungen gezwungen werden?

Und wenn die Käufer der Anzeige mit den Modellen zur Finanzierung der Kosten, die entstehen, wenn die Pflege geleistet werden soll, nicht einverstanden sind, mögen sie sich bitte etwas anderes einfallen lassen, als diese Linie “Parkeintritt” zu überqueren. Das kann ja nicht so schwierig sein. Ein paar Stichworte: 2. Schlössernacht, bessere Vermarktung unabhängig vom Eintritt in den Park, Vermietung der Orangerie an Prominente wie Günther Jauch für eine Hochzeit, Spenden einwerben (selbst für die dusselige Garnisonkirche finden sich schließlich Leute, die dafür spenden)

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen einen angemessen wütenden Artikel über diese Anzeige mit ganz viel “Fuck” und “Ich glaub, es hackt” zu schreiben. Ich finde, ich bin erstaunlich konstruktiv geblieben, weil es eigentlich ganz einfach ist.

Den Eintritt in die Parks kostenpflichtig zu machen ist einfach indiskutabel und solche Anzeigen sind den Beteiligten hoffentlich in ein paar Jahren total peinlich. Ich hoffe also, dass diese Anzeige nicht wirkt und die beteiligten Parteien auf absehbare Zeit Splitterparteien in der Potsdamer Lokalpolitik bleiben mögen.

Ein Kommentar

One Response to “Es geht nicht ums Geld”

  1. Laura

    Ich habe bei der PNN nachgefragt. “Der Werbekunde” der die Anzeige geschaltet hat, hat auch dafür bezahlt, dass gestern mehr Exemplare gedruckt wurden und an alle Potsdamer Haushalte verteilt wurden. O-Ton der Marketingabteilung: “Der Kunde wollte seine Botschaft gerne großflächig verteilen, auch weil es momentan um wichtige Themen geht, die alle Potsdamer betreffen.”
    Erstaunlich, was man alles kaufen kann.

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