Sonntag Abend und noch ein kleines Zeitfenster im Urlaubsprogramm: Kind 1 stimmte zu, ja, wir gehen uns mal ein Fußballspiel anschauen. Neun der 12 isländischen Erstligisten spielen im “Großraum” Reykjavik, wir hatten also sogar Auswahl. Wir entschieden uns für Fjölnir Reykjavik gegen IA Akranes. (Der Meister FR Hafnarfjördur spielte erst Montag Abend)
In Reykjavik liegen die Stadien (jeder Verein hat ein eigenes) in der Regel neben einem Schwimmbad. Einlass in die Fjölnirvöllur (oder Extravöllur) also auch durch die Schwimmhalle. Kind 1 wird ob der Wasserrutsche kurz schwach, allerdings schließen die Bäder Sonntags schon um 18:00 Uhr. Also rein, Eintritt für Erwachsene 1.500 Kronen (ca. 10 Euro), Kind kostet nichts. Das Stadion fasst laut Wikipedia 1.200 Menschen, es gibt eine Tribüne und einen Erdwall auf dem spätestens in der zweiten Halbzeit die zahlreich anwesenden Kinder den Hang runterkullern und ansonsten Zuschauer sitzen. Flutlicht fehlt komplett. Die Sonne steht tief, die Trainer tragen Sonnenbrillen und Schirmmützen. Man hat einen schönen Blick auf die Stadt und die Berge.
Es spielt der Dritte gegen den Fünften. Die mir bekannten Reykjaviker Vereine KR, Valur und Vikingur dümpeln diese Saison eher im unteren Bereich der Tabelle.
Das Stadion ist gut gefüllt, viele Familien, viele Kinder, handgestrickte Fanpullover und sechs Ultras mit Fahne und Trommel. (Hú!) Alles ist angenehm geerdet, Mannschaftsaufstellungen verlesen, schrottige Musik, Tor, kurze Musik, Torschütze ausrufen: fertig.
Der Wind frischt auf, die Abstöße der Keeper unterscheiden sich zwischen den Halbzeiten um bestimmt 10 Meter in der Länge. Kind 1 entdeckt, dass es Süßigkeitenstände gibt, ansonsten werden Burger und Cola verkauft. Bier sehe ich nicht, alle haben trotz schönstem Sonnenschein dicke Jacken an und gute Laune. Gegen Ende (21 Uhr) wird es wirklich frisch. Viele Kinder rennen in Trikots rum und spielen neben dem Platz ihr eigenes Spiel. Die Ordner sind entspannt, auch wenn die Bälle mehrmals auf dem echten Rasen landen.
Die wertvollsten Spieler der Mannschaft sind laut Transfermarkt.de zwei Kroaten, die mir jetzt aber nicht besonders auffielen. Wer weiß, ob die überhaupt spielten. Es gab zwar eine Anzeigetafel, die zeigte aber nur Spielzeit und Ergebnis an.
Fjölnir gewinnt 4:0, uns auffällig ist vor allem die Nummer 4 (Gunnar Már Guðmundsson), ein groß gewachsener Mittelfeldspieler, der mit Kopfbällen häufiger den gegnerischen Keeper vor Probleme stellte und auch das 1:0 köpfte. Das Niveau ist überschaubar. Keine groben Fehler, aber es fühlt sich nicht wie etwas an, aus dem ein Team erwächst, das England in einem Achtelfinale einer EM schlägt.
Die Stimmung ist super. Es gibt freundlichen Applaus, Gesänge (von den sechs Ultras im Wechselgesang mit dem Balkon des Schwimmbads), Fähnchen und nette Gespräche. Kind 1 möchte die ganze Zeit singen, hat sich einen eigenen Fangesang ausgedacht, scheitert aber an der Aussprache von Fjölnir und fragt oft, wann es denn endlich gelbe und rote Karten gibt, was die Männer mit den Fahnen an den Linien machen und wer da immer so rumbrüllt. (Antwort: Im Fußball wird die ganze Zeit gebrüllt. Das muss so.) Außerdem war es, wie schon den ganzen Urlaub, verwundert, dass ich das ganze isländische Gebrabbel nicht simultan übersetzen kann.
Trotzdem. Erste Liga. Das Spiel wird mit mindestens 3 Kameras gefilmt. Es gibt einen Liveticker mit Noten, es wird ernst genommen. Fjölnir klettert auf Rang 2 der Tabelle. Durch die Niederlage von Hafnarfjördur heute Abend gegen KR kann das sogar noch ein spannendes Meisterschaftsrennen werden.
Das Kind ist glücklich und wäre auch noch heute mit mir zu Hafnarfördur gegen KR gegangen, es hoffte auf weitere Lollies und Popcorn. Dann waren wir aber doch wandern.