Lehrstück Mediengesellschaft

Miroslav Klose ist eine Person der (mindestens) bundesdeutschen Zeitgeschichte. Ob er das möchte oder nicht, sei dahingestellt. Aber das sind die Spielregeln als Akteur im Profisport.

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Sport, gerade Fußball, steht an einer Ecke des Sponsoring Dreiecks von Bruhn. In der Mitte des Ganzen findet sich die geneigte Zielgruppe wieder. Das heißt Medien, Wirtschaft und Profiklubs interagieren miteinander. Sie sind aufeinander angewiesen verfolgen aber ihre eigenen Interessen. Die Gesetzmäßigkeiten sind nicht immer ganz durchsichtig. Manche Dinge liegen aber auf der Hand. Kurz zusammengefasst:

1. Die Wirtschaft hat natürlich Interesse, in einem attraktiven Umfeld zu werben. Das Objekt, dass ihr Logo spazieren trägt, sollte natürlich the most sexy person alive sein, nebenbei Waisendörfer in Südindien betreuen und mit größtmöglicher Lässigkeit Bälle in den linken Dreiangel schlenzen. Kann man verstehen, wer bezahlt schon Geld, um sich selbst in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Zeit der Mäzene ist vorbei. Die Männchen aus den Marketingabteilungen sind nicht “Partner“ von Miro Klose, weil sie ihn als Person bewundern und gerne mit ihm Bowlen gehen, sondern weil irgendein Praktikant glaubhaft dalegen kann, dass man mit Miros Gesicht mehr Schkodas in den Landkreis Diepholz verkaufen kann.

2. Medien sollen eigentlich über den ganzen Spaß berichten. Sie transportieren das große Ganze und nur so ganz nebenbei die Botschaften der Wirtschaft (man erinnere an das penetrante “dumdumdumdidum” der Telekom bei jedem Tor und jeder Stadionansage in der “Allianz-Arena”) Nebenbei stellen sie fest, dass Miro Klose eine Weile das Tor nicht mehr getroffen hat, aber 8,5 Kilometer pro Spiel zurückgelegt hat.

Hier beginnt das erste “ABER”. Gerade die übertragenden Fernsehsender haben Interesse an der “Wertigkeit” ihres Programmes. Schließlich wurde dafür eine Menge Geld bezahlt. Ãœbermäßige Kritik an ihrem eigenen, teuren Programm wird man nicht finden. Gerade im Sport findet man mehr “Journalisten” die sich an dem Dargebotenen berauschen (“Spiel des Jahres”, etc.) als Menschen, die sich dem Thema unter “berichtenden” Aspekten nähern. Wer das nicht glaubt, soll mal ernsthaft versuchen, die “Berichterstattung” der Sonntagsspiele im DeEsEff zu verfolgen.

3. Die Verantwortlichen im Sport sind sehr häufig ehemalige Spieler. Das funktioniert teilweise ganz gut (Bayern München) teilweise endet das in possierlicher Provinzialität auf Stammtischniveau (aktuell Borussia Mönchengladbach und Alemannia Aachen) Oft sind die Christian Zieges und Michael Frontzecks dieser Welt trotz aller Bauernschläue den ´(Kommunikations-)Anforderungen nicht gewachsen. Im Idealfall ist das alles “authentisch”, im Zweifelsfall gibt man schwelenden Brandherden dadurch immer noch eine Portion Grillspiritus drauf.

Man steht also als Akteur im Bereich Sport mit einer ganzen Menge Personen mit den unterschiedlichsten Interessen in Interaktion. Man ist nicht der Miro vom Hartplatz, sondern Uns-Miro als inszenierte Kunstfigur im Brennglas der Öffentlichkeit. Deswegen auch die Medien-Coachings für Fußballer an der Schwelle zum Profivertrag. Es ist allen klar, dass die Inszenierung, ob bewusst oder unbewusst, eine Auswirkung auf einen selber hat, sie wieder auf einen zurückfällt.

Am Beispiel von Miroslav Klose zeigt sich im Moment sehr deutlich das Spannungsfeld das dabei entsteht.

Die Ausgangslage: Unser aller WM-Held trifft das Tor nicht mehr mit der gewohnten Regelmäßigkeit. Zudem endet sein Vertrag bei Werder Bremen Mitte 2008, ein Vereinswechsel ist durchaus vorstellbar. Werder Bremen hat am letzten Spieltag mit einem 1:2 gegen Frankfurt seine Chancen auf die deutsche Meisterschaft verspielt.

Werder Bremen und Miro Klose sind imagemäßig mit Attributen wie “familiär”, “seriös”, “bescheiden” oder “zurückhaltend” aufgeladen. Ein Grund, weswegen beide ja auch laut aller “Experten” so wunderbar zusammenpassen.

Nach dem letzten Spieltag tauchten dann im großen Internet und in diversen Medien Gerüchte über Kloses private Probleme auf. In fast allen großen Fanforen regulieren Adminstratoren das durch Löschen und Sperren der Threads. Werder Bremen veröffentlicht mittlerweile auf der Startseite eine Stellungnahme. In den Medien wird das Thema zaghaft ausgetestet. Die Bild haut heute das erste Mal ein bißchen doller in die Kerbe. Es gibt ja bei aller Sensationsgier der Medien immer so eine Art Grenze bei der Berichterstattung. Erstaunlicherweise ist die bei Prominenten oft noch strikter als bei Privatpersonen. Ãœber das Privat- oder Liebesleben der Politiker und Sportler wird definitiv weniger geschrieben und gesendet, als in den Redaktionsstuben bekannt ist. Anfang des Jahres tauchte diese Diskussion auch bei Seehofers außerehelichen Affaire auf. Es wird immer wieder gesagt: “Das ist Privatleben, dass hat mit seinem öfffentlichen Wirken nichts zu tun.” Der Tenor bei ernsthaften Diskussion wie bei allesaussersport.de ist auch ein ähnlicher: “Wenn das keine Auswirkung auf die Leistung hat, ist das egal, wenn sein Privatleben die Leistung beeinflusst, kann man das thematisieren. Wobei auch klar ist, welche Grauzonen man damit betritt.”

Das ist sicherlich nicht falsch, allerdings fehlt mir bei dieser Diskussion eine wichtige Komponente. Bei dieser Argumentation vergisst man nämlich, dass Klose und Werder Bremen auch handelne Akteure in diesem Prozess sind. Fakt ist, ich weiß über Miro Klose mehr als über meinen Nachbar, auf Kloses Homepage, auf der Werder Bremen Internetseite, überall werden Informationen veröffentlicht. Fußballspieler und Vereine sind Marken, vielleicht nicht im klassischen Sinne wie Harley-Davidsen oder Mercedes Benz, aber sie weisen gewisse Komponenten auf. Dieses Markenbild muss nicht zwangsläufig mit der Realität übereinstimmen. Was weiß ich über Miros Gedanken, Gefühle, also seine echte Privatsphäre? Es ist also so, dass Bremen und Klose auch eine gewisse Verantwortung für die “Pflege” dieses Images haben.

Die ganze Diskussion kam auf, weil Bremen inklusive Klose im Saisonendspurt, naja, sagen wir mal, nicht ganz das Mögliche erreicht haben. Ein klassisches Szenario also für Spekulationen, Gerüchte, Vermutungen und öffentliches Maul-zerreißen. Das kann man vorher wissen und dementsprechend gegensteuern. Â

Werder Bremen zieht sich jetzt in der oben genannten Meldung aber auf diese Position zurück:

Dort geführte Diskussionen über das Privatleben von Miroslav Klose und anderer Werder-Profis entbehren jeglicher Grundlage, dienen aber als Nährboden für eine Berichterstattung der Presse. Geschäftsführer Klaus Allofs kommentierte: “Wir sehen uns gezwungen einzugreifen, um Spieler und Verein vor Schaden zu bewahren. Was in den letzten Wochen an Gerüchten insbesondere zu Miro Klose in die Welt gesetzt wurde, ist unverantwortlich und beschämend. Wir haben nach Rücksprache mit unseren Spielern keinerlei Zweifel, dass der Wahrheitsgehalt aller Spekulationen gleich Null ist und fordern alle, die sich an der Gerüchteküche beteiligt haben, dringend dazu auf, Schluss zu machen mit dem Gerede.”

Das ist ein bißchen einfach. Sie sind genau an dieser Entwicklung Mitschuld. Denn mal ehrlich: Natürlich hat das private Umfeld Auswirkungen auf die Leistung, genauso wie das Essen, der Pollenflug, das Wetter und 80.000 andere Gründe im komplexen System Hochleistungssport. Die Gerüchte existieren ja wohl schon eine Weile, Bremen wusste also, was da kommunikativ auf sie zurollen könnte. Und hier fängt ihr Versäumnis an. In so einem Fall muss man anfangen da gegenzusteuern, um das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Je mehr man in der passiven Vogel-Strauß-Haltung verharrt desto eklliger und abstruser werden die Gerüchte. Und irgendwann spielt es keine Rolle mehr, ob Klose Probleme mit seiner Frau hat, irgendeinen Spieler bei Werder nicht leiden kann, Klausi Allofs nicht mehr sehen kann oder eine Magen-Darm-Grippe hat.

Wenn man soviel Wert auf die Privatsphäre legt und nicht, wie bspw. Rockstars oder Typen wie Stefan Effenberg mit dieser inszenierten Persönlichkeit spielen will, dann muss man sich auch darum kümmern. Das kann man schließlich steuern. Je mehr man mauert, desto angreifbarer macht man sich.

Und jetzt zieht man sich auf die beleidigte Leberwurst zurück und beleidigt die, die eigentlich in der Mitte des Dreiecks stehen, nämlich die Zielgruppe. Nicht gut. So verabscheuenswert die Forums-Trolle seien mögen. Wenn man sagt, weil ihr tratscht, schreiben die Medien das und schaden uns, ist das fragwürdig.

Also liebes Werder, fangt an zu handeln und tut dem Miro was Gutes. Und wartet nicht bis Kloses und Euer eigenes Image als Bumerang wieder zurückgepfeffert kommt. Begreift mal die kommunikative Herrausforderung so einer Situation. Man muss ja nicht zwangsläufig neue Wege gehen und private Dramen, die nun wirklich jedem mal passieren, in der Öffentlichkeit thematisieren und auf Verständnis hoffen, oder den einen Spieler der pro Mannschaft nach Statistik schwul sein “muss” outen.

Nur so als Tip. Bei Schweinsteiger ist ein Zeckenbiß schuld an der Formkrise und es war die Cousine, die mit ihm im Bayern-Pool war. Hat das je jemand hinterfragt? Es bringt ja nun gar nichts, darüber zu schimpfen, dass viele Leute, die Gerüchte aufgreifen, wenn man ihnen die serviert.

Auf jeden Fall ein spannendes Thema, was man noch viel weiter ausführen könnte …

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