Garnisonkirche is a bitch

Am 29. Oktober gab es den offiziellen Baustart für den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche. Mit Festgottesdienst, Ehrengästen, Gottes bzw. Günters Segen und allem Schnick und Schnack. Und laut PNN.de ungefähr 75 Gegendemonstranten, Buttersäure und Trillerpfeifen.

Neben der allgemeinen Debatte über die Sinnhaftigkeit des Wiederaufbaus der – wohlwollend formuliert – mit einer zweifelhaften Geschichte behafteten Soldatenkirche gibt es mittlerweile noch eine andere Konfliktlinie. Neben der geplanten Kirche steht das “Rechenzentrum“, ein altes DDR-Gebäude, was sich die Künstler der Stadt als Kreativhaus erstritten haben und was mittlerweile als Erfolgsmodell gilt. Die Nutzung ist derzeit bis August 2018 befristet. Das Ding steht auf dem Baufeld der Kirche und müsste spätestens bei dem mehr als vagen Wiederaufbau des Kirchenschiffs endgültig abgerissen werden. Es gibt einen breiten politischen Konsens, die Nutzung auf jeden Fall bis 2023 zu verlängern, die Stadt stellte dafür bereits eine halbe Million bereit, die die Mehrkosten beim Bau decken soll.

Baufeld Garnisonkirche und Rechenzentrum noch ohne Künstler im Juli 2013

Soweit, so gut oder schlecht. Nach dem “Stören” des Fests eskaliert die Situation in typisch Potsdamer Manier. Nach diesem Artikel vom 6.11.17 bin ich noch mehr als vorher geneigt, all die Reden vom Versöhnungszentrum für Blödsinn und die Beteiligten auf Seiten der Stiftung für kleingeistige Vollpfosten zu halten. Außerdem macht mich das stinkwütend.

Zusammengefasst: Die Stiftung Garnisonkirche ist aufgrund der Störungen beleidigt. Und möchte jetzt nicht mehr über eine Verlängerung des Vertrags über die Nutzung des Rechenzentrums reden. Sie ist in dieser Machtposition, weil ein Teil des Rechenzentrums auf dem Gelände der Stiftung steht. (Dieses Gelände bekamen die Wiederaufbauer übrigens von der Stadt geschenkt, so viel zum Thema “komplett privat finanziert und organisiert”)

Im Detail:

“Unter derartigen Vorzeichen über Verlängerungen von bestehenden Vertragsverhältnissen nachdenken zu sollen, ist eine falsche Erwartungshaltung“, sagte der Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche, Wieland Eschenburg. „Unsere ausgestreckte Hand der Versöhnung wurde weggebrüllt.“

Wieland Eschenburg ist ein gewiefter Rhetoriker, das liest sich so weg, klingt in sich schlüssig, ist aber bei genauem Hinsehen eine niederträchtige Frechheit. Erstens setzt er hier die Leute, die ihn störten mit dem kompletten Kreativhaus gleich. Kollektivstrafe ftw. Dann spricht er von “Erwartungshaltung”, was offenbart, dass es sich hier mitnichten um eine versöhnende Nachbarschaft sondern um ein psychologisch bitte zu untersuchendes Selbstverständnis vom mächtigen Kirchenpapi und dem quengeligen Kind, was “Bitte, bitte” rufen muss und abends pünktlich das Licht ausmachen soll, handelt. Der Satz “Unsere ausgestreckte Hand der Versöhnung wurde weggebrüllt” macht mich fassungslos. Da das als wörtliches Zitat gekennzeichnet ist, gehe ich davon aus, dass das genauso gesagt wurde. Und es bedeutet nichts anderes, als dass diese “Versöhnung” von der immer alle sprechen, kein im Wortsinne “Beilegen und Vereinen” ist. Vielmehr möchte scheinbar Herr Eschenburg bestimmen, wer sich hier mit wem unter welchen Bedingungen “versöhnt”. Brillant. Mit dieser Rhetorik kannste auch die christlichen Kreuzzüge oder sämtlichen Fundamentalismus dieser Welt als “Versöhnungszentrum” verkaufen. (“Wir wollten uns ja mit diesen Ungläubigen versöhnen, aber die haben uns einfach niedergebrüllt und nicht zugehört, da mussten wir …”)

Ein weiteres Detail: Die Stiftung hatte den Zutritt zum Gelände während des Gottesdienstes nicht reglementiert, dann aber nach Störungen die Polizei gerufen und Platzverweise ausgesprochen. Natürlich kann ich das niemanden nachweisen, aber das Ganze riecht schon etwas fischig. Gegen das Argument “wir sind offen für alle” kann ich nicht viel sagen, aber wie gesagt, das ist das umstrittenste Wiederaufbauprojekt des Landes. Da erst alle reinzulassen und danach zu rufen “Die haben uns gestört” sieht auch ein wenig so aus, als ob man das bewusst einkalkuliert hat um danach mit diesem Spin die Debatte in die gewünschte Richtung zu lenken. Ermittelt wird jetzt wegen “Störung der Religionsausübung” und “Hausfriedensbruch”, weil man Altbischof Huber “Schande” und “Heuchler” entgegengerufen hat und Trillerpfeifen benutzt wurden. Meines Wissens wurde noch niemand verurteilt, aber halten wir uns nicht mit solchen Nebensächlichkeiten auf.

Das was mich ob der Perfidität aber wirklich wütend macht ist folgendes Detail.

„Gepfiffen und gebrüllt wurde während des gesamten Gottesdienstes auch lautstark aus den Fenstern des Rechenzentrums“, so Eschenburg. Besonders stößt ihm auf, dass die Kulturmanagerin des Rechenzentrums, Anja Engel, beim Gottesdienst anwesend war und nichts gegen das Geschrei unternommen habe. „Die Vorfälle machen eine schlichte Rückkehr zu einem von gegenseitiger Achtung geprägten nachbarschaftlichen Verhältnis so einfach nicht möglich“, so Eschenburg.

Eschenburg zieht eine hochpolitische Debatte auf die persönliche Ebene. “Die Anja war auch da und hat nix gesagt, als die Sarah so laut geschrieen hat, sodass ich den Finn gar nicht mehr verstanden habe und deswegen dürfen jetzt alle Freunde von der Anja nie wieder auf meinem Spielplatz spielen sonst hole ich den Günter !!!11!”. Anja Engel ist Kulturmanagerin des Rechenzentrums, angestellt bei der Stiftung SPI, die das Haus betreibt. Das ist eine Koordinatorenstelle. Vielleicht ist Herr Eschenburg das ja aus Partei- oder Kirchenarbeit anders gewohnt, aber man hat bei so einer Stelle weder Weisungsbefugnis noch ist es die Aufgabe irgendwelche Leute auf Linie zu bringen. Sowas ging damals in der FDJ oder SED (halt, das waren ja die Doofen, die die Kirche erst gesprengt haben) heute aber nicht mehr. Und eine Person und ihr Handeln in einer bestimmten Situation für eine bestimmte Entwicklung verantwortlich zu machen, ist eine so dermaßene Arschlochnummer, dass sich mir da die Faust in der Tasche ballt.

Auch dass sich der Sprecherrat des Rechenzentrums von den Stinkbomben distanziert hat, war Eschenburg nicht genug.

In der Stiftung wird diese Distanzierung als halbherzig betrachtet. Die Vertreter des Rechenzentrums müssten sich mehr bewegen, bevor man wieder über die Zukunft miteinander sprechen könne, hieß es.

Alles in allem sieht die ganze Nummer aus, wie niederträchtig und feige durchkalkuliert (oder zumindest dankbar angenommen): Haltet ein Stöckchen hin, irgendein Krawallo wird schon rüberspringen und irgendetwas “Böses” tun. Dann schreien wir Aua und sagen “So geht das nicht, so können wir nicht miteinander reden”. (Im Ernst, wir reden über ein bisschen Buttersäure, Pöbeleien und Trillerpfeifen. Manche, wie die “Initiative Mitteschön” sprechen da zwar von kriegsähnlichen Zuständen, aber die waren auch lange nicht mehr raus aus der Berliner Vorstadt. Da ist jede Ringbahnfahrt schlimmer.)

Das kann man machen, ist halt scheiße. Auch wenn man vielleicht damit durchkommt. Ich hoffe aber sehr, dass “Karma is a bitch” in diesem Fall auch gilt. Und wenn die Lokalpolitik diese Kirche nicht stoppt und alle Welt ihnen den Blödsinn vom Versöhnungszentrum glaubt, wünsche ich mir dann eben irgendetwas anderes als Strafe. Irgendetwas schön Skurriles und ein bisschen Buntes. Einen kleinen Drogen-, Sex- oder Schmiergeld-Skandal. Oder Hitlerbildchen bei irgendeinem Stiftungschefchen im Wohnzimmer. Oder einen morastigen Untergrund, sodass das ganze Ding einstürzt. Oder Pfusch am Bau, dass es unnutzbar wird und  telegen vor sich hinrottet. Auf jeden Fall irgendetwas, was man nicht wieder anderen Menschen in die Schuhe schieben kann.

Das wäre meine Bedingung (und scheinbar muss die ja jeder vorher aufstellen bevor er ein Zentrum dafür gründet) für eine Versöhnung mit der Garnisonkirche.

Disclaimer: Ich habe mit dem Rechenzentrum nichts zu tun, bin nicht in dem Verein FÜR e.V. und dort kein Mieter. Wir haben mit unserer Band allerdings sehr vergnügt zur letzten Fête de la musique da gespielt und das Haus ein wenig kennengelernt. 

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