Tour de France – Fazit

Zum Abschluss des Sommerloch-Contents hier das Fazit meiner Diplomarbeit zur Inszenierung der Tour de France im deutschen Fernsehen von März 2004. Aus heutiger Sicht macht sich die Arbeit und sämtliche Prognosen natürlich komplett überflüssig, da es die Tour wie kaum ein anderes Sportereignis geschafft hat, sich selbst komplett zu demontieren. Sicher, das Rennen findet noch statt, und als letzte Patrone werden Ikonen der Zeit, in der man sich knietief in die Scheiße geritten hat, wieder eingeladen. Meiner Meinung nach sollte man mal ein Jahr Pause machen mit dem gesamten internationalem Radsportzirkus und versuchen so etwas wie eine absolute Nulllinie zu finden. Dann könnte man sich auf den Kern konzentrieren. as das alles soll, steht hier. Dort gibt es auch ein Inhaltsverzeichnis, welches sich ganz von Zauberhand langsam mit Links füllt.

8 FAZIT

8.1 Wo steht die Tour de France im Vergleich zu anderen Sportereignissen
Die Tour de France ist als Großereignis aus dem internationalem Sportkalender nicht mehr wegzudenken. Im Radsport hat sie sich die unangefochtene Spitzenposition erkämpft. In alle Winkel der Welt werden Fernsehbilder des Rennens geschickt. Neben der Olympiade und den Welt- und Europameisterschaften im Fußball ist die Tour de France eines der größten Fernsehereignisse der Welt.
Die Aufbereitung im deutschen Fernsehen hat sich nach dem zunehmendem Erfolg deutscher Athleten schrittweise professionalisiert. Im Vergleich zu den 1980er Jahren, als sich Herbert Watterott täglich von 16:45 Uhr bis 17:15 per Telefon meldete, um die Heldentaten der Athleten zu schildern, bietet auch das deutsche Fernsehen mitt­lerweile eine Rundumversorgung zur Tour de France an. Allerdings läuft die Maschinerie noch längst nicht so rund wie bei den großen Fußballübertragungen. Ein Grund dafür liegt sicherlich in den etwas ungünstigen Rahmenbedingungen der Tour. Die Übertragungen finden grundsätzlich nachmittags und nicht zur besten Sendezeit am Abend statt. Außerdem hat eine Straßenrundfahrt durch ihre Länge nicht die kompakte Intensität eines Fußballspiels. Das spiegelt sich auch in den Quoten nieder. Nicht annähernd werden die Rekordwerte von Länderspielen oder Formel 1 Rennen erreicht.

Bei der Aufbereitung der Fernsehsportart Tour de France verfolgen die drei deutschen Sender zwei Strategien. Eurosport konzentriert sich nach der Senderphilosophie wie auch bei anderen Sportarten auf das fachkundige Publikum. ARD und ZDF versuchen die breite Masse anzusprechen. Wenn man aber die Aufbereitung anderer Sportarten, die ebenfalls im Schatten von König Fußball und Michael Schumacher stehen, betrachtet, gibt es doch große Unterschiede. RTL inszeniert beispielsweise das Skispringen, ebenfalls eine Sportart mit diversen langweiligen Phasen im Wettkampf, mit einer ganz anderen Intensität. Ob bei diesen Übertragungen der Showaspekt schon zu stark im Vordergrund steht und damit das Sportereignis selbst zerstört, sei dahingestellt. Letztendlich versuchen aber die beiden öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Beiträgen über die Sehenswürdigkeiten am Rande der Strecke und dem Abschweifen der Kommentatoren auch nichts anderes. Sie wollen den Zuschauer unterhalten und nutzen als Basis eine Sportveranstaltung.

Wären die Sender sich der diversen Längen in der Übertragung nicht bewusst, würden sie sich nicht mit einem opulentem Rahmenprogramm darauf vorbereiten. Die Tendenzen zum Selbstbeweihräuchern sind auch bei der Übertragung von ARD und ZDF zu beobachten. Die Sender schaffen sich die Großartigkeit des Ereignisses teilweise selbst. Das hat natürlich einen gewissen Reiz, schließlich steht am Ende ein hochemotionale Fernsehsendung. Allerdings gibt es auch Momente, wo das sinnlose Aufbauen von Spannung und Dramatik auffällt.

Generell geht die Tour de France bei den beiden großen Sendern aber auch nur den Weg des Fernsehsportes allgemein. Die Medien sind halt nicht mehr die kritischen Begleiter eines Ereignisses, sondern sind selbst in dem Dreieck Sport, Wirtschaft, Medien gefangen. Bei der Tour de France wird das durch das Sponsoring-Engagement der ARD beim Team Telekom mehr als deutlich. Eine Kritik an diesem Weg ist müßig, wenn man sich verdeutlicht, dass Fernsehsport als eigene Gattung eine sehr große Nähe zur Unterhaltung besitzt. Für den Sportpuristen bietet immerhin Eurosport eine mögliche Alternative.

Gerade mit dem Wissen dieses doppelten Angebotes ist die Inszenierung der Tour bei ARD und ZDF bei weitem noch nicht ausgereizt. Dafür gibt es Vergleich zu anderen Sportarten noch zu viel Leerlauf.

8.2 Ausblick und Potentiale
Die immer noch fortschreitende Technik bietet auch für die Inszenierung der Tour de France ein großes Potential. Eurosport wird sicherlich auch in Zukunft versuchen, den sachkundigen Zuschauer mit noch mehr Zusatzinformationen über das Geschehen zu füttern. Eine nette Spielerei bei der Übertragung 2003 war die Ausrüstung eines Fahrers pro Etappe mit einem Pulsmessgerät. So konnte die Pulsfrequenz und damit die Anstrengung des Fahrers in den verschiedenen Rennsituationen visualisiert werden. In diese Richtung
sind eine ganze Menge neuer Highlights vorstellbar. Es ist durchaus möglich, dass in Zukunft noch mehr Technik zum Einsatz kommt, um den Zuschauer noch näher an den Athleten heranrücken zu lassen.
Bei der Formel 1 sind Kameras im Cockpit der Autos selbstverständlich, beim Fußball gibt es Mikrofone zum Aufzeichnen der Gespräche
der Spieler untereinander. Solche Features könnten dazu dienen,
dass Gesamtbild abzurunden.

Auch die interaktive Komponente, das Einbinden des Zuschauers in die Übertragung wird zunehmen. Gerade bei extrem langen Übertragungen muss der Konsument, der sich so an sein Zapping-
Verhalten gewöhnt hat, ständig neu verführt werden. Durch die Möglichkeit Teile des Programms aktiv mitzugestalten, wird die Bereitschaft größer, während der ganzen Übertragung dabei zu sein.

Selbst wenn sich RTL nicht wie angekündigt um die Übertragungs­rechte für die Tour de France ab 2005 bemühen wird, der Unterhaltungsaspekt spielt sicherlich in Zukunft eine noch größere Rolle als bisher. Der Konsument sieht ein Sportereignis im Fernsehen als Unterhaltungsangebot. Er muss auch dementsprechend bedient werden. Auch wenn die Tour de France in ihrer jetzigen Aufbereitung noch nicht aufgepumpt mit Showaspekten ist und damit an guten Tagen einen meditativen Charakter entfalten kann, auf Dauer wird die Entwicklung sicherlich eher in Richtung einer stärkeren Betonung des Unterhaltungscharakters gehen.

Beim Skispringen bei RTL sieht man beispielsweise, wie effektiv man den Kult um einzelne Stars schüren kann. Dieses Potential ist bei der Tour de France bei weitem noch nicht ausgereizt, obwohl sich die Top-Athleten mit ihren bewundernswerten Leistungen geradezu für eine Stilisierung als Supermann anbieten. Natürlich stehen die Stars schon bei der heutigen Übertragung im Vordergrund und auch ihre persönlichen Eigenschaften werden thematisiert. Allerdings wird dieser Weg nicht mit allen Mitteln gegangen. ARD und ZDF beschränken sich auf das ständige Erwähnen von Jan Ullrich, Erik Zabel und Lance Armstrong, inszenieren diese Sportler aber nicht in dem Maße als Stars, wie das beispielsweise in Amerika üblich ist.

Nach der Phase des sprunghaften Anstieges der Sendezeit, wird diese sicherlich noch effektiver und intensiver als bisher genutzt werden. Insofern ist es spannend, ob die jetzigen Sender sich selbst dorthin entwickeln, oder eine neue Dimension erst beim Wechsel einer übertragenden Anstalt erreicht wird.

8.3 Nur Sport … Schluss
Trotz aller kommerziellen Zwänge und den beschriebenen Mechanismen im Spiel Fernsehsport, wäre es für den interessierten Zuschauer sehr schön, wenn sich die Programmmacher auch manchmal daran erinnern, dass es sich doch nur um Sport handelt. Der ist zwar angeblich die schönste Nebensache der Welt, aber eine gewisse Leichtigkeit und Distanz geht verloren, wenn sich nach dem Betrachten der Übertragungen der Tour de France der Eindruck aufdrängt, hier habe soeben ein Ereignis von welthistorischer Dimension stattgefunden. Gerade die pointierte und leicht-ironische Begleitung von Sportereignissen führt jedoch nur zu einem noch größerem Genuss. Und das wäre letztendlich ja für alle gut.

QUELLEN

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www.eurosport.de
www.netzzeitung.de/sport/tourdefrance/248791.html
www.sport1.de
www.tourgott.de
www.letour.fr

alle Internetseiten zuletzt besucht vom Verfasser am 20.03.2004

Interviews:
Telefoninterview mit Karsten Migels, Eurosport (Januar 2004)
Interview mit Christian Bruns, ARD-Digital (März 2004)

Videoanalyse
Videomitschnitte der gesamten Tour de France 2003 auf Eurosport, ARD und ZDF, sowie 1999 ARD und Eurosport, Etappe nach L‘Alpe d‘Huez

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