Tour de France – Die Tour in den Medien

Attackieren zur besten Sendezeit und Traumquoten. Früher war alles besser und der Himmel blauer und da Gras grüner. Was das alles soll, steht hier. Dort gibt es auch ein Inhaltsverzeichnis, welches sich ganz von Zauberhand langsam mit Links füllt.

4.3 „Es ist 15.00 Uhr, jetzt attackiert doch mal“ – Teamtaktik und Fernsehpräsenz

Die Mannschaften im Profiradsport sind Firmenteams. Die jeweiligen Geldgeber verfolgen natürlich mit diesem Kommunikationsmittel ganz bestimmte Ziele. Die Teilnahme bei der Tour de France adelt einen Rennstall. Der Sponsor hat jetzt eine Bühne mit einem Millionenpublikum. Natürlich möchte er sich dabei auch im besten Licht präsentieren. Da es in der Natur des Sportes liegt, dass es nicht nur strahlende Sieger gibt, schafft dieser Wunsch des Sponsors kuriose Situationen. So sieht man besonders in der zweiten Hälfte der Tour de France häufig Attacken von Fahrern aus Teams, die sich bisher nicht im Glanze des Erfolgs sonnen konnten. (Kenner, 2001) Dieser Umstand ist allgemein bekannt und wird auch als naturgegeben hingenommen. Selbst die Kommentatoren versuchen nicht, solche sportlich zum Scheitern verurteilte Angriffe schön zu reden und weisen sogar auf die Zwänge der Profis hin. Trotzdem muss der Fahrer und sein Team natürlich erwähnt werden. Da die Radteams auch nicht nach ihrem Herkunftsort sondern nach ihrem Sponsor benannt werden, ist die gewünschte Fernsehpräsenz schnell hergestellt. Außerdem wird natürlich die Spitzengruppe immer von einer eigenen Kamera begleitet und das mit Sponsoren beklebte Trikot ist dann natürlich viel besser zu erkennen, als im Pulk von 200 Fahrern.
Üblich ist dieses Vorgehen vor allem bei französischen Teams, die eingeladen wurden obwohl sie nicht zur Weltspitze gehören. Diese nutzen vor heimischem Publikum die Chance sich ins Bewusstsein der Zuschauer und Sponsoren zu fahren, um sich eventuell dadurch auch finanziell und sportlich zu verbessern.

„Clevere Radsport-Manager gehen mit ihren Fahrern vor dem Start Roadbook und Renndaten durch, richten die Renntaktik auf eine sogenannte TV Attacke aus, welche meistens von der zweiten Garnitur initiiert wird …“ (Klewenhagen/Rottiers, 2001, S. 18) Durch diese Attacken entsteht aber immerhin eine eigene Dynamik, die im Interesse der Tour-Direktion und der Fernsehsender liegt. Auch wenn die Ausreißversuche selten von Erfolg gekrönt sind, verändert sich doch so ständig die Rennsituation, eine Vielzahl von neuen Optionen für den Etappenverlauf ist plötzlich möglich und kein Team kann sich in Sicherheit wiegen. Gleichzeitig besteht natürlich immer die minimale Chance, dass David über Goliath triumphiert. Eine Situation, die sich vortrefflich in die mediale Begleitung des Renngeschehens integrieren lässt und den Zuschauer fesselt.

4.4 Die Tour de France im deutschen TV
Seit 1948 begleitet der Saarländische Rundfunk im Auftrag der ARD die Tour de France. Die Berichterstattung führte allerdings zu Anfang eher ein Schattendasein. Erst in den 60er Jahren schaltete sich das Fernsehen in die Übertragung ein. Ausgelöst wurde das plötzliche Interesse auch durch nationale Hoffnungsträger wie Rudi Altig oder Rolf Wolfshohl. 1977 fesselte Dietrich Thurau das deutsche Publikum an die Fernsehschirme. Die Euphorie flackerte aber immer nur kurzfristig auf.

Seit 1990 geht es mit der Beliebtheit des Radsportes und der damit verbundenen Intensität der Berichterstattung in Deutschland stetig bergauf. Dieser Umschwung hat zwei Gründe. Durch die politische Wende wurde es den sehr erfolgreichen Athleten aus der ehemaligen DDR ermöglicht, an Profirennen wie der Tour de France teilzunehmen. Außerdem gibt es mit dem Team Telekom seit 1991 ein deutsches Team, das sich kontinuierlich im Radsport engagiert. (Kicker Sonderheft, 2003)

Auch die Technik hat mittlerweile einen Stand erreicht, der es ermöglicht, auch eine dezentrale Sportveranstaltung in freier Natur für den verwöhnten Zuschauer angemessen zu präsentieren. Nur noch selten bekommt der Konsument Bildstörungen zu sehen und auch die Stimme des Kommentators aus dem Telefon gehört der Vergangenheit an.

Die vereinzelten Erfolge von Olaf Ludwig, Erik Zabel und Jens Heppner wurden vom Publikum durchaus wahrgenommen, erst der Gesamtsieg von Jan Ullrich 1997 verhalf dem Radsport in Deutschland aber zum endgültigen Durchbruch. Nach einer Studie von Sport + Markt gaben 1997 nur 2% Radsport als beliebteste TV-Sportart an. Nach dem ersten Sieg eines Deutschen bei der Tour überhaupt 1998 waren es schon 9% und im Jahr 2000 sogar 13%.

Diese gestiegene Relevanz spiegelt sich auch in der Intensität der Berichterstattung wieder. Die ARD brachte teilweise sogar im heiligen Abendprogramm um 20:15 Uhr direkt nach der Tagesschau viertelstündige Zusammenfassungen vom Geschehen des Tages. Mittlerweile wird die Tour de France täglich live übertragen, die ARD und das ZDF wechseln sich ab, Eurosport überträgt alle Etappen und wärmt sie nachts als „Relive-Sendungen“ in voller Länge noch einmal auf. In EinsMuXx, einem digitalem Sender der ARD, werden die Etappen zeitversetzt gezeigt und teilweise auch in der Nacht und am nächsten Morgen noch wiederholt. Nach Frankreich hat die Tour in Deutschland die meisten TV-Zuschauer, bis zu 8 Millionen schalteten die entscheidenden Bergetappen 2003 in den öffentlich-rechtlichen Sendern ein. Die Verantwortlichen sind mit diesen unerwartet guten Zahlen natürlich äußerst zufrieden. (Zimmer und Leissl in Netzzeitung, 2003)

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